Bundeskanzler Walter Thurnherrs Welt besteht aus Zahlen

Matthias Bärlocher
Matthias Bärlocher

Bern,

Bundeskanzler Walter Thurnherr steht selten im Rampenlicht. In einer Rede zeigt er nun, was im möglichen Nachfolger von Doris Leuthard steckt: Ein Zahlen-Freak.

Bundeskanzler Walter Thurnherr richtet bei der Eröffnung des «Smartfelds» einen flammenden Appell an die Anwesenden, doch die MINT-Fächer attraktiver zu gestalten.
Bundeskanzler Walter Thurnherr richtet bei der Eröffnung des «Smartfelds» einen flammenden Appell an die Anwesenden, doch die MINT-Fächer attraktiver zu gestalten. - smartfeld.ch

Das Wichtigste in Kürze

  • Bundeskanzler Walter Thurnherr zeigt in einer Rede seltene Einblicke in seine Gedanken.
  • Der als Bundesratskandidat gehandelte ehemalige Physiker ist fasziniert von Zahlen.
  • Diese Faszination nimmt schon obsessive Züge an.

Der höchste Beamte der Schweiz wird auf der Strasse nicht erkannt. Immerhin gilt aber Walter Thurnherr, Bundeskanzler, CVP-Mitglied und langjähriger Wegbegleiter von Doris Leuthard, als potentieller Nachfolger von ebendieser CVP-Bundesrätin. Dass er ein eher ausgefallener Politiker ist, hat er kürzlich in einer Rede bewiesen.

Wer ist Walter Thurnherr wirklich?

Dass ein Bundeskanzler Bundesrat wird, hat es noch gar nie gegeben. Bundeskanzler bleiben generell im Hintergrund, auch wenn sie immer wieder als «der achte Bundesrat» bezeichnet werden. Auch Walter Thurnherr kenn man nicht wirklich, obwohl er in Bern bestens vernetzt ist. Seine Rede zur Eröffnung des «Smartfelds» in St. Gallen zeigt nun: Er ist vor allem ein Nerd.

Seien es ungelöste mathematische Probleme, die Wunder des Weltraums oder Geometrie-Scherze: Thurnherr liebt sie und flicht sie in seine Rede über Bildungspolitik ein. Genüsslich breitet er seine Anekdoten bis ins Detail aus, als möchte er sagen: Wie kann man da NICHT fasziniert sein? So (ist Thurnherr überzeugt) wird doch in jedem Kind die Begeisterung für MINT-Fächer geweckt.

Zwischen Genie und Politiker

Damit es ja niemand übersieht, klärt uns Thurnherr auch gleich selbst auf. Er hat die alte Kantonsschule Aarau besucht (wie Albert Einstein), theoretische Physik studiert (wie Albert Einstein) und ist dann Bundesbeamter geworden (wie Albert Einstein). Darüber redet er – so scherzt er zumindest – offenbar mit seinem Therapeuten.

Mit der Öffentlichkeit redet er dagegen lieber über Elementarteilchen, Mathe-Bücher, Verschlüsselungstechnologien oder optische Täuschungen. In seinem Twitter-Feed kommt Politik nur dann vor, wenn Politiker mehr Forschung fordern (zum Beispiel für Quantencomputer).

Ist Thurnherr ein Exot, ein Spezialfall, eine… Singularität?

Jeder Schweizer Politiker hat Interessen und/oder einen Beruf. Die meisten haben nicht Politik studiert. Bundesrätin Simonetta Sommaruga ist ausgebildete Pianistin, Ignazio Cassis ist Arzt, Doris Leuthard wäre eigentlich Rechtsanwältin und Ueli Maurer eidg. dipl. Buchhalter.

Dieses Vorleben drückt bei diesen aber in den seltensten Fällen durch. Bei Thurnherr ist es aber fast ausschliesslich so. Es steht zu erwarten, dass, sollte Walter Thurnherr jemals Bundesrat werden, die Bevölkerung mit einer Reihe Aha-Erlebnisse eingedeckt wird. Oder hätten Sie gewusst, dass die Lösung des «Basler Problems», von Leonhard Euler 1735 entdeckt, π²/6 ist? Eben. Thurnherr schon.

Kommentare

Weiterlesen

47 Interaktionen
4 Interaktionen
Weihnachtsmarkt
2 Interaktionen