Bundesrat gefordert: Neonazis an Corona-Demo schockieren Politik
Am Samstag marschierten in Bern rund 2000 Menschen gegen die Corona-Massnahmen. Plötzlich führten Neonazis den Umzug an. Nicht überraschend, sagen Politiker.
Das Wichtigste in Kürze
- Am Samstag fand erneut eine grosse Kundgebung gegen Corona-Massnahmen in Bern statt.
- Die Junge Tat, eine Gruppierung aus Neonazis, führte den Umzug durch die Altstadt.
- Die Politik reagiert schockiert, ist aber über die Entwicklung nicht überrascht.
Trotz zwei verlorenen Abstimmungen bleiben die Massnahmengegnerinnen und -gegner motiviert. Nach einer langen Demonstrationspause versammelten sich in Bern am Samstag rund 2000 Menschen zum Protest. Doch nebst den gewohnten Gruppierungen wie «Mass-Voll» und der «Freien Linke» waren Neonazis zuvorderst mit dabei.
Zwar werden Rechtsextreme immer wieder an Corona-Demonstrationen gesichtet. Aber dass in der Schweiz eine Neonazi-Gruppe den Umzug anführt, ist eine Premiere. Und vielleicht nicht die Letzte.
«Angewidert, aber nicht überrascht»
Die Reaktionen sind divers, der Schock sitzt tief. So auch bei Fabian Molina, SP-Nationalrat und Mitglied bei der parlamentarischen Gruppe gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit: «Die Bilder aus Bern haben mich schockiert und angewidert, aber nicht überrascht.»
Rechtsextremismus sei «die grösste Gefahr für unsere Demokratie», hält Molina auf Anfrage fest. «Das haben die Sicherheitsbehörden leider viel zu wenig auf dem Schirm.»
Laut Ex-Juso-Präsident Molina haben rechtsextremistische und neonazistische Bewegungen aktuell «massiven Zulauf». «Sie treten immer offensiver auf, nehmen sich Raum und schrecken auch vor Gewalt nicht zurück.» Laut «Tamedia»-Zeitungen wurden die rechtsextremen Demonstranten von der Polizei am Bahnhof kontrolliert; eine Person wurde angezeigt.
Marianne Binder ist ebenfalls Mitglied in der Gruppe gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit; die Mitte-Nationalrätin beschäftigt sich schon lange mit Antisemitismus auf Corona-Demonstrationen. Im Oktober reichte sie einen Vorstoss zur Beobachtung und Erfassung von antisemitischen Vorfällen an solchen Kundgebungen ein.
Verbot von Nazisymbolik eine Möglichkeit
Ohne Erfolg: «Leider sieht der Bundesrat keinen Handlungsbedarf, antisemitische Vorfälle durch die Bundesbehörden schweizweit systematisch zu erfassen.» Das sei eine «krasse Verkennung der Problematik», so Binder auf Anfrage. Deswegen habe sie im Winter nochmals eine schärfere Motion verfasst: «Keine Verherrlichung des Dritten Reiches - Nazisymbolik im öffentlichen Raum ausnahmslos verbieten.»
Es könne nicht sein, dass sich der Bund nicht um die Problematik kümmere: «Das ist sehr ernstzunehmen!» Auch jüdische Organisationen forderten schon lange einen staatlichen Eingriff, so Binder. Durch die Vorfälle am Samstag erhofft sie sich, noch mehr Druck für das Anliegen machen zu können.
Fabian Molina unterstützt ebenfalls ein Verbot von Nazisymbolik. Er fordert aber auch eine «Null-Toleranz vonseiten der Polizei – dazu gehören auch Kundgebungsverbote». Was wiederum eine Angelegenheit der Kantone und Gemeinden wäre. Und für viele, auch für Marianne Binder, «heikel».