Ukraine Krise: Bundesrat und Chefbeamte verbreiten Ratlosigkeit
Der Bundesrat kommuniziert in der Ukraine Krise verklausuliert und schickt seine Chefbeamten vor. Diese können Fragen nur bedingt beantworten.
Das Wichtigste in Kürze
- Bundesrat Ignazio Cassis hat vor den Medien verkündet: Keine Sanktionen gegen Russland.
- Die Erklärungen mussten die Beamten nachliefern, da Cassis zur OSZE-Sitzung eilte.
- Doch die Kommunikation zwischen Experten und Journalisten verlief mehr als holprig.
Die Stimmen der Journalisten schlittern zeitweise ins Zittrige ab an der Medienkonferenz des Bundesrats zur Ukraine Krise. Krieg in Europa, das lässt auch diejenigen nicht kalt, die seit Jahrzehnten aus Bundesbern rapportieren. Und die zunehmend ungläubig staunen, was der Bundesrat entschieden – oder vielmehr: nicht entschieden – hat.
Immer wieder wird nachgehakt, ob man wirklich richtig gehört habe, dass es keine eigenen Sanktionen gegen Russland gebe. Bundespräsident und Aussenminister Ignazio Cassis hatte sich unmittelbar nach seiner Erklärung verabschiedet, weil er zu einer Sitzung der OSZE musste. Nebst keinen Sanktionen kämpften die Journalisten nun auch noch mit einem anderen Phänomen: Keinen Antworten.
Kommunikations-Desaster frustriert Parlamentarier
Das sorgt nicht nur im Saal, sondern auch bei Parlamentariern für Frustration, die die Medienkonferenz aus der Ferne verfolgen. Der Präsident der Grünen, Balthasar Glättli, stellt lakonisch fest, es sei eine kommunikative «Meisterleistung», so viel Unklarheit unter Medienschaffenden anzurichten. «Die Rückgratlosigkeit wird hinter Floskeln versteckt», schlussfolgert Glättli inhaltlich.
Mitte-Präsident Gerhard Pfister greift gar den Bundespräsidenten persönlich an. Dessen Flucht zu wichtigeren Pflichten nimmt er ihm sehr übel. Krieg in Europa und nicht einmal an der Medienkonferenz: «Dann frage ich mich schon, wen ich da gewählt habe.»
«Warum sind Sie eigentlich hier?»
Die grösste Verletzung des Völkerrechts in Europa seit Jahrzehnten und der Bundesrat entscheidet nach ausführlicher Beratung gleich wie 2014. Die Journalisten haken nach: Wirklich? Das kann ja nicht sein, oder?
Vor Reputationsschäden wird gewarnt, Gesetzestexte werden zitiert, «erklären sie mir es noch einmal in einfachen Worten». Doch die Bundesbeamten können die Bundeshaus-Veteranen diverser Medien nicht beruhigen. Die Verständnislosigkeit erreicht ihren Höhepunkt, als ein Westschweizer Journalist den Direktor des Nachrichtendiensts fragt, was die Zukunft wohl bringe:
Frage: Was erwarten Sie in den nächsten Tagen, was ist das wahrscheinlichste Szenario in der Ukraine?
Antwort: Vielen Dank, wir beobachten die Situation natürlich intensiv mit all unseren Partnern. Wir haben Szenarien definiert, aber die haben wir im Moment der Regierung zur Verfügung gestellt und wir, äh, bauen darauf, dass die Regierung ihre Entscheide aufgrund der Szenarien, die wir beschrieben und priorisiert haben, äh, treffen wird und es ist nicht an uns, jetzt diese auch noch öffentlich zu diskutieren. Tut mir leid.
Frage: Zweite Frage: Also, warum sind sie eigentlich hier? (Gelächter im Saal)
Antwort: Danke, das ist, weil meine Departements-Chefin [Anm. d. Red.: Viola Amherd] mir befohlen hat, hier teilzunehmen. Vielleicht hat es andere Fragen, auf die ich besser antworten kann. Tut mir leid.