Bundesrats-Kandidat Jositsch: Professoren sind auch nur Menschen
Das Wichtigste in Kürze
- Ständerat Daniel Jositsch (SP/ZH) kandidiert für den Bundesrat.
- Seine Chancen könne er schlecht einschätzen, hofft aber auf primär inhaltliche Kriterien.
- Sein Bezug zu Kolumbien, Ukraine oder dem Judentum sind kaum Thema.
Es sind nur noch wenige Tag bis die SP-Fraktion ihr Ticket für die Bundesratswahlen vom 13. Dezember nominiert. Und, wie läuft es so? «Ich bin wohl derjenige, der am wenigsten ein realistisches Gefühl hat», gesteht Ständerat Daniel Jositsch, der innert nur einem Jahr schon zum zweiten Mal antritt.
Hauptsache Städter
Ihm sage man wohl kaum, ob man ihn gut finde oder nicht, glaubt Jositsch. Was ihn aber auch nicht stört, denn darüber mache er sich auch nicht gross Gedanken. Auch nicht gross aufgefallen ist ihm, dass mit Priska Seiler Graf und Jacqueline Badran ausgerechnet zwei Frauen für ihn weibeln. Wo er doch letztes Jahr noch entgegen der Parteivorgabe als Mann auf das Frauenticket wollte.
«Wir haben ja auch nicht mehr viele männliche Nationalräte», schmunzelt Jositsch, womit er nun auch wieder recht hat: Fabian Molina wäre grad noch der einzige Zürcher, der infrage kommt. Angelo Barrile ist nicht mehr angetreten, der neu gewählte Islam Alijaj ist noch zu wenig vernetzt.
Apropos Zürcher: Ist er da im Vorteil oder im Nachteil? Lange Zeit hatte der Kanton Zürich einen de facto garantierten Sitz im Bundesrat, mit rund einem Sechstel der Schweizer Bevölkerung. Umgekehrt sind Zürcher nicht gerade eben die Beliebtesten. Wichtig sei doch weniger der Kanton, sondern dass die städtische Schweiz wieder im Bundesrat vertreten sei, betont Jositsch. «Ob das jetzt ein Zürcher ist oder jemand aus… aus einer anderen Stadt, scheint mir nicht so entscheidend.»
Professoren sind auch nur Menschen
Bei der Basis kommt Daniel Jositsch sehr gut an, wie sein erfolgreicher Ständerats-Wahlkampf zeigt. Aber auch bei Sympathisanten anderer Parteien: «Der hätte das Format», heisst es in einer Besuchergruppe im Bundeshaus, «es gäbe Schlimmere», meint einer, der wohl nicht zur SP-Wählerschaft gehört. Parteiintern gibt es trotzdem Kritik, Professor Jositsch sei kein echter Genosse, zu fernab der Realität in seinem Elfenbeinturm.
«Ich würde mich nicht als abgehoben betrachten und Professoren sind Menschen, die nichts anderes tun als andere auch: In ihrem Beruf zu arbeiten», wehrt sich der Strafrechtsprofessor. Gerade als solcher bekomme er doch eher viel von den Alltagsproblemen mit, schliesslich sei er mit Kriminalität und schwierigen Situationen konfrontiert.
Kaum thematisiert: Herkunft und Aussehen
Während bei allen Kandidaten noch dieser oder jener Aspekt ausgegraben und kritisiert wird, ist bei Daniel Jositsch ein Faktor kaum Thema: Seine Herkunft. Obwohl diese eigentlich sehr spannend ist.
Wer soll die Nachfolge von Alain Berset im Bundesrat antreten?
So hat Jositsch lange in Kolumbien gearbeitet und besitzt seit einigen Jahren auch den kolumbianischen Pass. Ein Urgrossvater stammt aus der Ukraine, was eine nette Anekdote wäre, wenn nicht gerade einer der beiden die Aktualität prägenden Konflikte dort ausgetragen würde. Auch zum Konflikt in Nahost liesse sich ein Bezug herstellen: Jositsch ist auch jüdischer Herkunft.
«Es geht ja in erster Linie darum, einen geeigneten Bundesrat zu finden», betont Jositsch, und damit hätten diese, seine Eigenschaften verhältnismässig wenig zu tun. Entscheidendes Kriterium ist für ihn dagegen: Verantwortung übernehmen zu können. Dies hätten Bevölkerung und Parlament angesichts der Herausforderungen wie Klimakrise, Kaufkraftverlust, EU und Sicherheitslage verstanden.
«Format» wird Jositsch ja attestiert, staatsmännisches Auftreten traut man ihm auch zu. Sind – wie bei einer Volkswahl – auch bei einer Bundesratswahl Äusserlichkeiten wichtig? «Ich hoffe es nicht!», meint dazu Daniel Jositsch.
Er gehe davon aus, dass sowohl SP-Fraktion wie Bundesversammlung in erster Linie auf inhaltliche Kriterien schauten. Dabei wäre der Vorteil klar auf seiner Seite: Frisurtechnisch könnte Daniel Jositsch die «Tradition Berset» nahtlos fortführen.