Wahlen 2023: SP-Nationalrat Islam Alijaj schreibt Geschichte
Sozialdemokrat Islam Alijaj schreibt Geschichte: Der Zürcher mit kosovarischen Wurzeln lebt mit Zerebralparese und ist der erste Schweiz-Albaner im Nationalrat.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Zürcher Islam Alijaj schafft mit 95'054 Wählerstimmen den Sprung in den Nationalrat.
- Alijaj ist auf Unterstützung angewiesen, um barrierefrei am Parlamentsalltag teilzunehmen.
- Im Nationalrat möchte Alijaj für mehr Inklusion von Menschen mit Behinderungen kämpfen.
Am Sonntag hat die Schweiz gewählt – am 4. Dezember werden insgesamt 52 neue Parlamentarier ihr Amt in Bundesbern antreten: Einer von ihnen ist der Sozialdemokrat Islam Alijaj.
Der Zürcher lebt seit seiner Geburt mit Zerebralparese: Eine Nervenerkrankung, die seine Mobilität und seine Sprache, nicht aber seine kognitiven Fähigkeiten einschränkt. Es war seine Krankheit, die ihn antrieb, politisch aktiv zu werden. Der gelernte Kaufmann kämpft beharrlich für eine politische Vision einer Schweiz, die stärker auf Menschen mit Behinderungen eingeht.
Wahlen 2023: Islam Alijaj schreibt Geschichte
Schon 2019 kandidierte der Zürcher mit kosovarischen Wurzeln für den Nationalrat – ohne Erfolg. Am 22. Oktober 2023 gelingt ihm mit seiner Kampagne unter dem Titel «Geschichte schreiben» schliesslich das, was viele für unmöglich hielten: Islam Alijaj schreibt Geschichte.
Mit 95'054 Wählerstimmen klettert der Sozialdemokrat vom elften auf den siebten Listenplatz: Als einer von drei Rollstuhlfahrer und als erster Schweiz-Albaner gelingt ihm bei den Wahlen 2023 der Sprung in den Nationalrat.
Parlamentarischer Alltag mit Unterstützung
Auf Anfrage von Nau.ch erklärt Alijaj, dass er sich bereits daran gewöhnt habe, den parlamentarischen Alltag mit Unterstützung zu bewältigen. Im Stadtzürcher Gemeinderat hat der 37-Jährige viele Hürden überwunden. Ein halbes Jahr musste er für die Finanzierung seiner Assistenz kämpfen: Denn zum Verfassen von E-Mails oder Vortragen von Voten ist er auf Unterstützung angewiesen.
Auch in Bundesbern wird der Zürcher Assistenz benötigen – das werde gut funktionieren, wie er betont: «Die Parlamentsdienste haben bereits öffentlich zugesichert, dafür Sorge zu tragen, dass ich meine Arbeit im Bundeshaus uneingeschränkt ausüben kann. Das hat mich sehr gefreut!»
Politischer Werdegang mit Stolpersteinen
Alijaj ist überzeugt, dass vieles seiner politischen Karriere im Wege stehe – seine Behinderung, sein Migrationshintergrund und sogar sein Vorname. Im Nationalrat möchte der 37-Jährige das Behindertenwesen der Schweiz revolutionieren: Ein Behindertenwesen, dass Menschen mit Beeinträchtigungen lieber in Einrichtungen stecke, anstatt ihnen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.
In Bundesbern wird er für einen verbesserten Zugang zu Assistenzleistungen und eine freie Wohnungswahl kämpfen. Der zweifache Vater wünscht sich eine Schweiz, in der Menschen mit einer Behinderung auch im Parlament eine Stimme haben. Alijaj ist überzeugt: «Meine Kinder sollen nicht in einer Gesellschaft aufwachsen müssen, in der ihr eigener Vater als minderwertig angesehen wird.»
Die Vorzeichen stehen günstig: Zum ersten Mal in der Geschichte der Eidgenossenschaft werden in der kommenden Legislatur drei Rollstuhlfahrer in Bundesbern Gesetze beschliessen. Neben Alijaj schaffen auch die bisherigen Mitte-Nationalräte Christian Lohr (TG) und Philipp Kutter (ZH) die Wiederwahl ins Parlament.