Claude Longchamp analysiert Antirassismus-Bewegung

Christof Vuille
Christof Vuille

Bern,

Die Schweiz diskutiert emotional wie nie über Rassismus im Land. Politologe Claude Longchamp analysiert – und verrät, warum er weiterhin «Mohrenkopf» sagt.

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Der Nau-Polittalk «Longchamp» mit Politologe Claude Longchamp. - Nau.ch

Das Wichtigste in Kürze

  • Claude Longchamp analysiert im Gespräch mit Nau.ch die «Black Lives Matter»-Bewegung.
  • Viele Familien in der Schweiz hätten vom Sklavenhandel profitiert. Die Debatte sei nötig.
  • Longchamp hat kein Problem mit dem Wort «Mohrenkopf» – bevorzugt aber ein anderes.

Weltweit gehen nach dem gewaltsamen Tod von George Floyd Hunderttausende Menschen auf die Strasse. Trotz Corona-Regimen protestieren sie lautstark gegen Rassismus. Auch in der Schweiz.

Biel Kundgebung
Kundgebung zu «Black Lives Matter» am frühen Freitagabend in Biel. - Keystone

Politologe Claude Longchamp beobachtet die Entwicklung eng. Der in Freiburg aufgewachsene Longchamp glaubt, dass in der Deutschschweiz eine Diskussion lanciert wird, welche die Romandie bereits hinter sich hat.

«Hintergrund der ‹Mohrenkopf›-Debatte ist brisant»

Historiker hätten die koloniale Vergangenheit der Eidgenossenschaft nämlich aufgearbeitet. Vielen sei aber nicht bewusst, dass in der Schweiz viele Familien vom Sklavenhandel profitieren.

Die Diskussion um den «Mohrenkopf» und dessen Verbannung aus dem Migros-Regal sei natürlich polarisierend und oberflächlich. «Doch die Debatte über den Hintergrund ist brisant und nötig», so Longchamp.

Das würde auch der Streit um Statuen im öffentlichen Raum zeigen. «Ich bin nicht für einen Bildersturz, aber es wäre angezeigt, die kritische Seite der Geschichte mit deren Standort aufzuzeigen.»

Christof Vuille Claude Longchamp
Auf Deutsch nennt Longchamp die umstrittene Süssigkeit weiter «Mohrenkopf» – er bevorzugt aber den französischen Begriff «Merveilleux» (auf Deutsch: «Wunderbar»). - Nau.ch

Er selbst nennt die umstrittene Süssigkeit im Übrigen «Merveilleux». So heisst der «Mohrenkopf» im französischsprachigen Raum, nachdem «tête de nègre» bereits seit einiger Zeit nicht mehr gebräuchlich ist. Auf Deutsch allerdings hat Longchamp kein Problem damit, das Dessert weiterhin «Mohrenkopf» zu nennen.

Gemeinsamkeiten mit Frauen- und Klimabewegung

Insgesamt sei Rassismus in der Schweiz ein Problem, aber in der Wahrnehmung einer Mehrheit nicht ein allzu grosses. Eine Null-Toleranz herrsche in der Schweiz beim Antisemitismus. «Wenn jemand antimuslimisch auftritt, sind die Grenzen aber viel weicher», stellt der Politologe fest.

Claude Longchamp Nau.ch Talk
Politologe Claude Longchamp im Gespräch über Rassismus in der Schweiz mit Christof Vuille, Stv. Chefredaktor von Nau.ch. - nau.ch

Auch in Bezug auf die aktuelle Diskussion um Schwarze gelte es zu lernen, vorsichtig zu sein. «Am Schluss geht es darum, ob wir Menschen beleidigen oder nicht.» In einem aufgeklärten, zivilisierten Land dürfe das nicht geschehen. Deshalb begrüsst Longchamp die Debatte.

Diese reihe sich teilweise ein in die Frauen- und Klimabewegung. Tatsächlich gebe es wohl Schweizerinnen und Schweizer, die überall aktiv sind. So besuchte der Rassismus-Experte kürzlich eine Demonstration in Bern.

«Das Durchschnittsalter der Teilnehmer war extrem tief, vielleicht 16 oder 18 Jahre.» Deshalb gebe es wohl Überschneidungen zwischen Antirassismus- und Klima-Bewegung. Tatsächlich äusserte sich diese Woche auch Greta Thunberg in diese Richtung.

Wie würden Wahlen heute ausgehen?

Dennoch macht Longchamp Unterschiede aus. Gerade beim Frauenstreik sei der Anteil weiblicher Teilnehmer sehr hoch gewesen. Und: Nicht nur Junge hätten sich daran beteiligt.

So oder so würden alle drei Bewegungen politisch «ästimiert», so Longchamp. Das habe im Übrigen nur teilweise mit der medialen Begleitung zu tun. Die Zeiten, als «NZZ» oder «Blick» die relevanten Themen gesetzt hätten, seien längst vorbei.

Claude Longchamp Format
Der bekannte Politologe Claude Longchamp diskutiert bei Nau.ch regelmässig aktuelle Entwicklungen in der Schweizer Politik. - Nau.ch

Auf die Frage, welche Parteien zulegten, wären heute Wahlen, gibt sich Longchamp zurückhaltend. «Nach wie vor wären Grüne und Grünliberale die Siegerparteien.» SP und SVP würden etwas weniger schlecht dastehen. Nicht profitiert habe die FDP.

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