In der Schweiz wird nach dem Lockdown wieder tüchtig gestreikt. Und es wird immer klarer: Die einzelnen Streikbewegungen haben doch einige Anliegen gemeinsam.
Black Lives Los Angeles
Inmitten der Proteste gegen Rassismus muss die Polizei nun genau hinschauen, fordern Demonstranten. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • In der Schweiz wird gegen Rassismus, für Feminismus und fürs Klima gestreikt.
  • Die einzelnen Bewegungen blieben vorerst noch unter sich.
  • Doch die Proteste haben mehr gemeinsame Forderungen, als der erste Eindruck erweckt.
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Nach der Corona-Krise scheinen nun auch wieder andere Krisen in den Vordergrund der Gesellschaft zu rücken. Nebst den weltweiten «Black Lives Matter»-Demonstrationen melden sich auch Klima-, sowie Frauenstreik wieder zu Wort.

Allein vergangenes Wochenende fanden Anti-Rassismus-Demos und Demonstrationen im Namen des Frauenstreiks harmonisch nebeneinander statt. Ein Bild, das man sich vor einem Jahr noch kaum vorstellen konnte. Denn bis anhin protestierte jede Fraktion für sich alleine, eine Zusammenarbeit der Streiks war selten erwünscht.

Doch angesichts der unterschiedlichen Anliegen wird auch bewusst: Ein Grossteil der Probleme sind miteinander eng verknüpft – eine Zusammenarbeit scheint unumgänglich.

Black Lives Matter erhält Aufwind

Mit dem Mord am Afroamerikaner George Floyd startete die «Black Lives Matter»-Bewegung auch in der Schweiz erstmals richtig durch. Obwohl auch schon seit geraumer Zeit in der Schweiz gegen systematischen und individuellen Rassismus gekämpft wird, erhielt die Bewegung viel Zuwachs nach dem Corona-Lockdown.

Über 10'000 Menschen demonstrierten letztes Wochenende in Zürich, gut 5000 in Bern. «Es war überwältigend zu sehen, wie viele Menschen gekommen sind, um daran teilzunehmen», so Mitorganisatorin Nina Müller zu Nau.ch. Die Protestierenden hätten auch viel Respekt gezeigt und geholfen, die Demonstration friedlich zu gestalten.

Biel Kundgebung
Kundgebung zu «Black Lives Matter» am frühen Freitagabend in Biel. - Keystone

Die englische Zeitung «The Guardian» stellt eine brisante These auf: Ohne Gleichheit zwischen Menschen, insbesondere im Zusammenhang mit der Rassismus-Debatte, kann es auch keine Gleichheit beim Klima geben. «Die Bekämpfung des systematischen Rassismus ist nach Ansicht führender Aktivisten von grundlegender Bedeutung für die Erreichung von Umwelt- und Klimagerechtigkeit,»

Denn in den USA und Grossbritannien wurde festgestellt, dass People of Color stärker unter Luftverschmutzung leiden als weisse Personen. Eine schlechte Luftqualität, die mit mehreren Atemwegserkrankungen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen verbunden ist, erhöht das Sterberisiko durch das Coronavirus erheblich.

«Umweltrassismus tötet», betont auch Robert Bullard, Professor für Stadtplanung und Umweltpolitik an der Texas Southern University.

Klimastreik möchte mit anderen Bewegungen zusammenarbeiten

Der Klimastreik Schweiz fordert von Politik und Wirtschaft unter anderem, dass der Klimanotstand ausgerufen wird. Auch soll das «Netto Null 2030»-Ziel erreicht werden. Und nicht nur das, auch der Begriff Klimagerechtigkeit fällt im Zusammenhang mit der Schweizer Bewegung oft.

Denn Klimaschutz ist auch eine Frage der sozialen und globalen Gerechtigkeit, betont der Klimastreik Schweiz. «Frauen und Menschen im globalen Süden sind besonders stark von der Klimakrise betroffen und haben weniger Ressourcen sich gegen Umweltkatastrophen zu schützen.» Daher wäre eine Zusammenarbeit mit dem Frauenstreik oder den «BLM»-Demos naheliegend.

dominique rinderknecht
Der Klimastreik im März 2019 in Bern. - Keystone

Noch im Mai 2019 stellte Lena Bühler, Aktivistin und Mitglied des Klimastreik-Komitees gegenüber Nau.ch klar, dass der Klimastreik nicht für den Frauenstreik mobilisieren werde. Ihre Mitstreiterin Annik begründete den Entscheid: «Ich sehe die Verbindung zwischen Ökologie und Feminismus nur begrenzt.»

Auf erneute Anfrage scheint sich die Haltung des Klimastreik jedoch beinahe um 180 Grad gedreht zu haben. Bühler erläutert: «Ich denke, dass die verschiedenen Bewegungen sich in Zukunft noch mehr unterstützen und zusammenarbeiten müssen, um den umfassenden gesellschaftlichen Wandel einzuleiten. Die Protestbewegungen setzen sich schlussendlich alle für eine gerechtere Welt ein.»

Frauenstreik nimmt Klimakrise wahr

Der Frauenstreik Schweiz fordert vor allen Dingen eins: Gleichstellung. Denn immer noch sind Frauen, auch in der Schweiz, nicht mit Männern gleichgestellt. Vor über einem Jahr, am 14. Juni 2019, fand der grosse Frauenstreik in der Schweiz statt, welcher der Bewegung einen grossen Schub verlieh.

«Die Forderungen der Frauen lassen sich zusammenfassen in ‹Mehr Lohn, mehr Zeit und Respekt!› Dieses Jahr ist ein ‹Jetzt erst recht!› dazu gekommen, denn im letzten Jahr hat sich viel zu wenig verbessert und gerade Corona hat einmal mehr gezeigt, wer die Krise zahlt», so Vania Alleva, Präsidentin der Gewerkschaft Unia als Vertreterin des Frauenstreiks gegenüber Nau.ch.

Frauenstreik 2019
Am 14. Juni 2019 gingen Hunderttausende Frauen auf die Strassen. - Keystone

Respekt und somit auch der «Abbau jeglicher Form von Diskriminierung» und gleiche Rechte für alle würden ja auch im Zentrum der «BLM»-Bewegung stehen, meint Alleva.

«Zudem sind für mich die Frauenstreik-Bewegungen und die Klimaschutz-Bewegung zwei Seiten einer gleichen Medaille. Während der grossen Klimademonstration im letzten September in Bern fiel mir auf, dass viele Menschen noch das violette Abzeichen des Frauenstreiks trugen.»

Die momentanen Bewegungen, welche sich global abzeichnen, geben Hoffnung für eine bessere Zukunft, merkt Alleva an. Es gehe nicht nur um einen Klimanotstand, sondern auch einen sozialen Notstand.

Frauenstreik SP
Frauenstreik in Basel. Die SP wollte während des Streiks wissen, was es für eine gleichberechtigte Gesellschaft noch alles braucht. - Keystone

«Gleichheit und Nachhaltigkeit sind der gleiche Kampf. Es braucht einen ökosozialen Umbau der Wirtschaft und der Gesellschaft. Und: Ohne soziale Gerechtigkeit gibt es keine Klimagerechtigkeit.»

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