Claude Longchamp: So ticken die «Freunde der Verfassung»
Das Wichtigste in Kürze
- Die «Freunde der Verfassung» haben das Referendum gegen das Covid-Gesetz ergriffen.
- Politologe Claude Longchamp analysiert die Gruppe und verortet sie im rechten Bereich.
- Die neue Organisation habe auch mittelfristig durchaus Potenzial, glaubt er.
Seit rund zwei Wochen befindet sich die Schweiz wie im Frühling im Lockdown. Wirkliche Fans von geschlossenen Läden und Beizen sowie Kontaktbeschränkungen gibt es kaum. Doch der Widerstand gegen die Corona-Politik des Bundesrats ist schon länger präsent.
Innert kurzer Zeit sammelten die «Freunde der Verfassung» 90'000 Unterschriften gegen das Covid-19-Gesetz. Die Signaturen sind nicht allesamt beglaubigt, doch Beobachter zeigen sich überrascht ob der Schnelligkeit des Sammelerfolgs.
Kampf gegen «rücksichtsloses Pandemiemanagement»
So auch Politologe Claude Longchamp, wie er im Nau.ch-Talk ausführt. Denn die Organisation existiert erst seit dem 1. August 2020. Sie wurde am letzten Nationalfeiertag auf dem Rütli gegründet. Gemäss Eigenbeschrieb habe man damit den 1291 geschlossenen «Pakt erneuern» wollen.
Im Kampf gegen das Covid-Gesetz sieht die Gruppe auch selbst primär eine Symbol-Abstimmung. Denn zahlreiche Massnahmen sind so oder so zeitlich beschränkt, nicht alle Entscheide des Bundesrats auf den Erlass gestützt.
Ein Nein werde aber dem Bundesrat zeigen, «dass der Souverän ein solch unverhältnismässiges und rücksichtsloses Pandemiemanagement ablehnt.» Das schreiben die Chefs der Verfassungsfreunde auf ihrer Webseite.
Auch sonst scheut sich die Organisation nicht vor deutlichen Worten. Für eine «freie, souveräne, gerechte, solidarische, humanistische und das Leben respektierende Schweiz» will sie einstehen.
Claude Longchamp: «Verfassungsfreunde» sind Republikaner
Claude Longchamp erachtet die rund 2000 Verfassungsfreunde als «Republikaner», welche die Bedeutung der direkten Demokratie verfechten. Sie würden versuchen, sich als überparteiliche Organisatoren darzustellen. «Sie kommen wirklich aus verschiedenen Richtungen», so der Politologe.
Was halten Sie von den «Freunden der Verfassung»?
Die Gruppe sei aber tatsächlich im rechten Spektrum zu verordnen, ohne das SVP-Parteiprogramm verinnerlicht zu haben. Diese habe mit ihrer Politik ein «Vakuum» hinterlassen. Im Zentrum stehe ein libertärer Gedanke, die Freiheit des Einzelnen.
Dabei tauchen im Umfeld der Verfassungsfreunde aber auch immer wieder abenteuerliche Verschwörungstheorien um 5G oder Impfungen auf. «Zweifelsfrei gibt es eine Grundskepsis», sagt Longchamp.
Diese existiere wohl bei Zehntausenden, quer durch Bevölkerungsschichten. Allerdings gebe es einen Unterschied zu jenen, die in den letzten Monaten tatsächlich gegen die Corona-Politik auf die Strasse gingen.
Was bei den Verfassungsfreunden auffällt: Die Bewegung hat keinen alles überstrahlenden Chef wie es James Schwarzenbach oder Christoph Blocher waren. «Die Gruppe ist nicht personenzentriert. Und es ist überraschend, dass es doch so gut funktioniert.»
Können die Skeptiker auch Abstimmungskampf?
Im Hinblick auf die Abstimmung ist Longchamp allerdings skeptisch, ob die Verfassungsfreunde eine politische Kampagne zustande bringt. Ausgeschlossen sei das aber nicht, sagt er mit Verweis auf die Hornkuh-Abstimmung.
Neue Bewegungen würden zwar eine gewisse Sympathie geniessen. Um Durchschlagskraft zu erhalten, müsste die Organisation allerdings im digitalen Raum noch stärker werden, so Longchamp. Stand heute rechnet er mit einem Ja zum Covid-Gesetz.
Doch können sich die Verfassungsfreunde mittel- und langfristig in der Schweizer Politik etablieren? Schliesslich sammelten sie auch in kurzer Zeit Unterschriften für das Referendum gegen das Terrorgesetz.
Die entscheidende Frage dabei sei, ob es der Bewegung gelinge, selbst Volksinitiativen zu lancieren. «So könnte sie die Regierung vor sich hertreiben, statt nur versuchen, sie zu blockieren.»
Eine initiativfähige Gruppe aus dem rechten, libertären Spektrum könnte «die ganze Schweizer Politik stark beeinflussen», so Longchamp. Die Abstimmung über das Covid-Gesetz dürfte Mitte Juni stattfinden.