Claude Longchamp über FDP unter Neo-Präsident Thierry Burkart
Die FDP wird die Legislaturperiode mit einem neuen Parteipräsidenten beenden. Dessen Rolle bei den Wechselwählern wird laut Politologe Longchamp entscheidend.
Das Wichtigste in Kürze
- Claude Longchamp analysiert für Nau.ch die erste Hälfte der Legislaturperiode.
- Der Wechsel an der Spitze der FDP sei richtig und Thierry Burkart eine gute Wahl.
- Doch bezüglich Wechselwähler am linken Rand des Freisinns könnte er Problem kriegen.
Claude Longchamp analysiert für Nau.ch die erste Hälfte der 51. Legislaturperiode. Im zweiten Teil steht die FDP im Fokus, die bei den Wahlen 2019 wie SVP und SP Verluste eingefahren hat.
Zentral ist bei den Freisinnigen aktuell der bevorstehende Wechsel an der Parteispitze, von Petra Gössi zu Thierry Burkart. «In der Situation, in der sich die Partei in den letzten zwei Jahren befunden hat, war ein personeller Wechsel richtig. Thierry Burkart halte ich für einen ausgesprochen guten Politiker, der seine Sache sehr gut machen wird.»
Thierry Burkart nicht ideal zur Lösung des Hauptproblems
Doch der Politik-Experte sieht beim zukünftigen Parteipräsidenten einen grossen Nachteil: «Er ist klar am rechten Rand positioniert und wird sicher die Abgänge Richtung SVP etwas stoppen können.»
Das sei aber gar nicht das Hauptproblem. «Ich habe vor allem den Eindruck, Wechselwähler gibt es zwischen der GLP und der FDP. Für diese ist Thierry Burkart nicht die ideale Ansprechperson.»
Vollzieht die FDP nun eine Kehrtwende bei der Klima- und Europa-Politik?
Burkart war gegen das CO2-Gesetz und gegen das Rahmenabkommen, also im Einklang mit der Mehrheit der Bevölkerung und des Bundesrats. Dass die Partei nun in diesen Dossiers eine klare Kehrtwende vollziehe, glaubt Longchamp nicht: «Die Situation ist in beiden Themen wahrscheinlich komplexer.»
Es gebe FDP-Vertreter, die klar pro-europäisch seien und solche, die die Gletscher-Initiative unterstützten. Das heisse, dass man nun weder beim Rahmenabkommen noch beim CO2-Gesetz «auf null herunterfahren wird».
«Es wird Thierry Burkarts grosse Herausforderung sein, in den nächsten 12 Monaten die verschiedenen Strömungen in der Partei zu einen.» Bestenfalls gelinge ihm das und man könne geeint in den Wahlkampf steigen.
Im schlechteren Fall habe man aber die Situation wie bisher: Es gebe immer wieder Widersprüche aus der Partei und ein Hickhack im Hintergrund, das die Partei lähme. «Dann wird es schwierig, überhaupt ein einheitliches Profilbild dieser Partei zu sehen.»
FDP hat noch einen grossen Trumpf in der Hand
Um in den nächsten zwei Jahren Akzente zu setzen, habe die Freisinnige Partei einen grossen Trumpf in der Hand: Die Renteninitiative. Falls das Rentenalter erhöht werde, liege es quasi auf der Hand, dass die Initiative der nächste Schritt sei. Damit könne sich die FDP im bürgerlichen Lager profilieren.
Sollte das Rentenalter nicht steigen, werde es aber doppelt so schwer. Die Partei sei nun schliesslich klar darauf eingespurt, dass sie die Erhöhung des Rentenalters wolle.
Auch die zweite Initiative für Individualbesteuerung für Ehepaare biete Profilierungspotenzial. Da markiere sie einen klaren Unterschied zur Mitte-Partei. Dazu kämen die coronabedingten Wirtschaftsfragen.
Prognose für die Wahlen 2023
Die realen Ergebnisse der kantonalen Wahlen und der Regierungsratswahlen seien ganz eindeutig negativ. Für den Neuanfang bleibe jetzt allerdings nicht genug Zeit.
Darum sei es unwahrscheinlich, dass die FDP bei den nächsten Wahlen im Plus sei: «Im besten Fall, würde ich sagen, kann sie die Wähler halten. Nicht ausgeschlossen ist, dass sie verliert.» Dann dürfte 2023 die Doppelvertretung im Bundesrat wieder in Frage gestellt werden.