Coronavirus: BAG-Zahlen zu Hospitalisierungen massiv überschätzt
Entscheidend für Schliessungen ist gemäss Bundesrat die Zahl der Spitaleinweisungen. Nun zeigt sich: Diese sind überschätzt, weil viele «zufällig» Corona haben.
Das Wichtigste in Kürze
- Die vom BAG ausgewiesenen Zahlen zu den Corona-Hospitalisierungen sind überschätzt.
- Viele werden im Spital «zufällig» positiv getestet und als Covid-Patienten geführt.
- Für das Spital-Personal bedeutet das dennoch einen massiven Zusatzaufwand.
Fast täglich erreichen die Fallzahlen des Coronavirus derzeit Rekordwerte: Am Donnerstag waren es über 32'000. Für den Bundesrat sind diese Zahlen mittlerweile allerdings bedeutungslos. Entscheidend für neue Massnahmen ist nur noch die Zahl der hospitalisierten Personen und jenen auf der Intensivstation.
Tatsächlich führten die zehntausenden Neuinfektionen bisher nicht dazu, dass wesentlich mehr Menschen eine Spitalpflege brauchen. Nun wird klar: Selbst die ausgewiesenen Hospitalisierungen sind eine deutliche Überschätzung.
Denn: Als Corona-Fälle gelten nicht nur Personen, die an Symptomen leiden. Sondern auch Patienten, welche etwa beim Spitaleintritt «zufällig» positiv auf das Virus getestet werden oder sich im Spital anstecken.
Das bestätigt das Bundesamt für Gesundheit auf Anfrage: «Die vom BAG veröffentlichen Hospitalisationszahlen sind als mit COVID-19 und nicht unbedingt wegen COVID-19 zu interpretieren, beinhalten also auch Personen, die sich im Krankenhaus angesteckt haben.» Der Labornachweis könne vor oder nach dem Spitaleintritt erfolgt sein. Allerdings wisse man nicht, ob alle Spitäler bei Eintritt einen Test durchführen, so der Sprecher.
Genfer Klinik: 46% der Covid-Patienten nicht wegen Virus eingeliefert
Das Westschweizer Online-Portal «lémanbleu» berichtet , dass im Genfer Universitätsspital rund 46 Prozent aller Covid-Patienten nicht aufgrund des Virus eingeliefert wurden. In anderen Spitälern dürfte es ähnlich aussehen. Konkret werden also etwa Unfallopfer mit einem gebrochenen Bein als Covid-Patienten ausgewiesen.
Wie viele der täglich gemeldeten Personen Covid «nur» als Nebendiagnose erhalten, ist dem BAG nicht bekannt. Ebenfalls keine Aussagen kann die Behörde dazu machen, wie viele Personen sich im Spital anstecken. Es dürften allerdings einige sein, wie die Zahlen auf Genf zeigen.
Für das Spitalpersonal ist diese Situation belastend, da es auch «normale» Patienten mit Covid-Ausrüstung behandeln muss. «Dies, da für alle positiv getesteten Patientinnen und Patienten spezielle Massnahmen ergriffen werden müssen – unabhängig vom Grund der Hospitalisierung», erklärt der Sprecher.
Hinzu kommt, dass positiv getestete Patienten auch das Personal anstecken können und dieses in der Folge ausfällt. Dennoch: Die Zahl der Covid-Patienten in den Spitälern ist eine Überschätzung – oder widerspiegelt zumindest nicht das, was Herr und Frau Schweizer bisher annahmen.
Schliesslich brauchen weniger Personen als gedacht Pflege «wegen» dem Coronavirus. Weil dies weder Bundesrat noch BAG bisher offen kommunizierten, dürften auch drohende Massnahmen verstärkt infrage gestellt werden.
Verschlimmert Omikron die Situation noch?
Gerade durch die extrem ansteckende Omikron-Variante dürften die Fälle von «zufälligen» Positiv-Befunden und Ansteckungen im Spital weiter zunehmen. Zur Veränderung durch die Variante konnte das BAG bisher keine Angaben machen. Denn nicht für alle hospitalisierten Fälle liege ein Sequenzierungs-Resultat vor.
Die Behörde von Gesundheitsminister Alain Berset warnt aber: «Nur weil die primäre Ursache für die Hospitalisierung nicht Covid-19 war, bedeutet dies nicht, dass kein Zusammenhang zwischen der Hospitalisierung und Covid-19 bestand.» Und: Etwa Krebspatienten hätten nach einer Ansteckung im Spital ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf.
Sicher ist: Das Problem der zweifelhaften Spitalzahlen existiert nicht nur in der Schweiz. In Grossbritannien finden dazu hitzige Diskussionen statt. In Dänemark gehen einzelne Regionen davon aus, dass bei der Hälfte der Covid-Patienten das Virus lediglich eine «Nebendiagnose» war.
Das skandinavische Land will deshalb über die Bücher gehen und die alles entscheidenden Spitalzahlen künftig detaillierter ausweisen. Ob das in der Schweiz auch passiert, wird sich zeigen.