Coronavirus: Chaos bei Tests und Kostenübernahme
Wer testet wen und wer bezahlt den Corona-Test, der doch gratis ist? So simpel wie die Regeln tönen scheint das nicht zu sein.
Das Wichtigste in Kürze
- Möglichst viele Tests: Die Umsetzung der Bundesdirektive lässt viele Fragen offen.
- Auch bei den Kosten ist nicht alles glasklar, obwohl der Bund Gratistests verspricht.
«Testen, testen, testen»: Das ist derzeit die Devise des Bundesrats. Tatsächlich wird so viel getestet, dass die positiven Tests fast in der Masse verschwinden, trotz Anstiegs in den letzten Tagen. «Es ist ein gutes Zeichen, dass sich so viele Leute testen lassen», sagt BAG-Experte Stefan Kuster. Nur: Wer getestet werden soll, wo getestet werden sollte und wer jetzt genau was bezahlt, ist oft unklar.
Gratistests en masse
Eigentlich wäre es ja simpel. Die Kurve der Fallzahlen ist geplättet, die Massnahmen werden gelockert, die eilends improvisierten Drive-in Testcenter machen zu. Weil bei den Testkosten Fehlanreize und Ärger der Kantone entstanden, zahlt nun der Bund einfach alle Tests. Aufatmen allenthalben, die «neue Normalität» kann beginnen.
Sie beginnt mit Misstönen. «Der Bundesrat hat uns überrumpelt», klagt der Co-Präsident der Notfall-Mediziner, Aris Exadaktylos. Nicht allen sei klar, für wen der Test gratis sei und für wen nicht. Auf Anhieb erschliesst sich einem auch nicht, warum die Drive-in Testcenter schliessen, wenn doch mehr, nicht weniger getestet werden soll.
Ausreichende Test-Kapazitäten
«Zum heutigen Zeitpunkt existieren keine Pläne, das Drive-in wiederzueröffnen», heisst es beim Kanton Luzern. Die Test-Kapazitäten sowie die Schutzkonzepte und Erfahrung im Umgang mit dem Coronavirus bei Spitälern und Hausärzten seien jetzt ausreichend. Ähnlich formuliert es Gundekar Giebel, Kommunikations-Chef beim Kanton Bern, der sein Drive-in am 24. Juni einmottete.
«Das Testcenter kann innerhalb weniger Tage wieder operativ sein», je nach Entwicklung der Fallzahlen oder Erhöhung der Testkapazitäten. Doch dazu sieht man offenbar keine Veranlassung. Denn im Gegensatz zum April mit bis zu 350 Tests täglich habe man zuletzt noch 50 bis 80 Personen getestet.
Ein anderes Bild zeichnet sich allerdings in den offiziellen Zahlen und den Erfahrungen der Notfallstationen ab. Dort wird seit zwei, drei Wochen bereits wieder mehr getestet, sagt Exadaktylos zu Nau.ch. «Es wäre im Sinne der Schweizer Notfallstationen und der Patienten wichtig, dass wir Unterstützung bekommen.»
Diffuse BAG-Kriterien
Gratis ist der Test dann, wenn eine Person die BAG-Kriterien erfüllt, das heisst: Krankheitssymptome hat. Hier wird es bereits schwierig: «Wir sind nicht die Symptom-Polizei», sagt Exadaktylos, weshalb man den Aussagen der Testwilligen einfach vertraut. Zudem können die Kantonsärzte im Rahmen des Contact Tracings auch Tests bei Personen ohne Symptome anordnen.
Doch woher wissen die Spitäler, wer eine solche Anordnung hat? «Wie sie das genau machen, ist den einzelnen Kantonen überlassen», sagt der Präsident der Kantonsärzte, der Zuger Ruedi Hauri. Jedenfalls würden diese Kosten vom Bund übernommen. «Falsch», heisst es beim Luzerner Kollegen Christos Pouskoulas: «Immer der Auftraggeber bezahlt die Leistung», also der Kanton.
Auf Nachfrage klärt das Bundesamt für Gesundheit, wo Mediensprecher Grégoire Gogniat auch zunächst ins Stutzen kommt. Doch er verweist auf eine komplexe grafische Darstellung im Faktenblatt zur «Regelung der Kostenübernahme». Dort ist ersichtlich: Es zahlt der Bund. Auch wenn man die Grafik nicht interpretieren mag, den Fall «Kanton» gibt es so oder so in keinem einzigen Szenario.
Patient zahlt je nach dem auch bei Gratistest
Der Bund bezahlt «95 Franken für die Analyse und 24 Franken für die Auftragsabwicklung, Overheadkosten und Probenentnahmematerial». Das ist ein Maximalbetrag, mehr geht nicht, höchstens weniger. Doch: Seit Jahr und Tag verrechnen die (spitalinternen) Labors den «Zuschlag für Nacht, Sonn- und Feiertage», knapp 50 Franken. Ob HIV-, Salmonellen- oder eben Coronavirus-Nachweis: Je nach Wochentag und Tageszeit schlägt der Zuschlag zu.
Nur: Der Bund zahlt das auf keinen Fall, stellt Grégoire Gogniat vom BAG klar. Die Labors dürften den Zuschlag eh nur dann verrechnen, wenn der Arzt explizit angeordnet habe, dass es pressiere. Sei dies der Fall, dann gehe dieser Teil der Rechnung den separaten Weg via Krankenkasse. Wer dieses Jahr seine Franchise noch nicht ausgeschöpft hat, zahlt dann – trotz Gratistest.
Das hat der geneigte Testwillige allenfalls nicht auf der Rechnung gehabt. Aber er ist damit in bester Gesellschaft. Auch unter Fachleuten ist in Sachen Corona-Bewältigung nicht immer ganz klar, was gilt.