Coronavirus: Linksaussen kritisiert den Bundesrat für Öffnungspläne
Der Bundesrat hat sein «3-Phasen-Modell» zur Rückkehr in die Normalität vorgestellt. Bei Linksaussen und Experten ist der Aufschrei über die Pläne gross.
Das Wichtigste in Kürze
- Das Drei-Phasen-Modell des Bundesrats stösst bei den meisten Parteien auf Zustimmung.
- Bei Links- und Rechtsaussen kommen die Pläne der Landesregierung aber gar nicht gut an.
- Die Juso und die SVP haben jedoch völlig andere Gründe für ihren Aufschrei.
Der Bundesrat hat gestern sein «3-Phasen-Modell» zur Rückkehr in die Normalität vorgestellt. Dabei wird deutlich: Die Landesregierung ist auf hohe Infektionszahlen eingestellt und nimmt sie gar ausdrücklich in Kauf.
Der Schlüssel zur Freiheit ist gemäss Gesundheitsminister Alain Berset eindeutig die Impfung. Dank vielen Genesenen und geimpften Risikogruppen wären höhere Inzidenzwerte aus Sicht des Bundesrates kein Grunde mehr, das Leben einzuschränken.
Ein wichtiges Tool wird zudem das Covid-Zertifikat sein: Dieses sollen Genesene, frisch getestete und geimpfte Personen erhalten. Der Bundesrat macht keinen Hehl mehr daraus: Ohne Covid-Zertifikat wird man von vielen gesellschaftlichen Aktivitäten ausgeschlossen.
Juso-Jansen: «Unverantwortliche Entscheidung»
Der Exit-Plan (hier zum Nachlesen) stösst bei den Schweizer Parteien auf breite Zustimmung. Sogar bei den, in der Vergangenheit bei eher raschen Öffnungsplänen, zurückhaltenden Linken. Die SP sagte auf Anfrage, die Pläne gäben den Menschen eine Perspektive und zeige die Wichtigkeit der Impfkampagne auf.
Und weiter: Die Partei habe immer gefordert, dass wissenschaftlich abgestützte Lockerungen mit verstärkten Anstrengungen hinsichtlich Impfungen, Tests und Contact Tracing einhergehen müssten. Von Kritik am eigenen Bundesrat und seinen ambitionierten Plänen also keine Spur.
Ganz anders tönt es von Linksaussen. Juso-Chefin Ronja Jansen wettert auf Twitter über die «massiv erhöhte» Inzidenz, bei der Verschärfungen geprüft werden. «Damit opfert der Bundesrat Nicht-Geimpfte, obwohl Corona auch sie schwer treffen kann», schreibt Jansen. Denn viele nicht-vulnerable Menschen hätten keine Möglichkeit sich zu impfen, sagt die Juso-Präsidentin im Hinblick auf Jugendliche und Kinder zu Nau.ch. «Und trotzdem gelten Impf-Privilegien und höhere Ansteckungszahlen und mehr Long-Covid-Fälle werden in Kauf genommen», nämlich bei Jugendlichen. Das sei eine unverantwortliche Entscheidung.
Im zweiten Teil ihres Tweets doppelt die junge Politikerin nach. Diese Entscheidung atme den «Geist des Arbeitgeberverbands» ein, der 30'000 tägliche Neuansteckungen «absolut easy findet». «Solange das Gesundheitssystem nicht zusammenbricht sind die Krankheitsfolgen für die Betroffenen egal», schreibt Jansen.
Etwas verhaltener als Jansen drückt Grünen-Präsident Balthasar Glättli seine Kritik aus. «Endlich: Der Bundesrat entwickelt Szenarien, die vom Impffortschritt abhängig sind. Tempo und Risiko sind aber hoch. Zu hoch? Das befürchte ich.»
SVP fordert einmal mehr sofortige Öffnung
Unzufrieden über das «3-Phasen-Modell» zeigte sich währenddessen auch die Partei am anderen Ende des politischen Spektrums. Die SVP hat jedoch andere Gründe den Bundesrat zu kritisieren als Jansen und Glättli.
Entgegen dem Alarmismus von Wissenschaft und BAG habe sich die Corona-Lage in der Schweiz nicht verschlechtert, so die Sünneli-Partei. Und weiter: « Trotzdem verweigert der Bundesrat den Menschen in der Schweiz die Rückkehr zu einem freien und selbstbestimmten Leben.»
Für die Partei würden sich die einschränkenden Massnahmen deshalb nicht mehr rechtfertigen lassen, heisst es. Daher fordert die SVP – wie schon so oft – die sofortige Aufhebung sämtlicher verordneter Schliessungen.
Experte: «Kinder und Jugendliche vergessen»
Kritik kommt auch vom Neurologen Dominique de Quervain, der kürzlich aus der wissenschaftlichen Taskforce des Bundes ausgetreten war. Er schreibt auf Twitter, dass bei dem Drei-Phasen-Modell, Kinder und Jugendliche, die sich noch nicht, oder auch Menschen, die sich gar nicht impfen lassen können, «offensichtlich komplett vergessen» wurden.
Zudem erwähnt der Stressforscher, dass es Angesichts der Berechnungen der Taskforce mit den zu erwartenden Schwerkranken und Toten zynisch sei, die jetzige Phase als «Schutzphase» zu bezeichnen.
Zur Erklärung: Als «Schutzphase» versteht der Bundesrat die laufende Zeitspanne, bis alle impfwilligen Risikopersonen vollständig geimpft sind.