Coronavirus: So reagiert Politik und Wirtschaft auf Öffnungsschritte
Der Bundesrat wagt ab Montag einen kleinen Öffnungsschritt. Terrassen von Restaurants sollen trotz Coronavirus öffnen dürfen. Grünen-Chef Glättli ist sauer.
Das Wichtigste in Kürze
- Obwohl die Fallzahlen steigen, lockert der Bundesrat die Corona-Massnahmen ein wenig.
- Für die GDK und FDP ist es der richtige Schritt.
- Grünen-Präsident Balthasar Glättli findet den Lockerungsschritt verfrüht.
Obwohl die Fallzahlen des Coronavirus wieder ansteigen, öffnet der Bundesrat die Terrassen von Gastro-Betrieben. Kinos und Theater dürfen auch wieder öffnen. Das sorgt für einiges Aufatmen aus Wirtschaftskreisen und Politik – aber auch für Kritik.
Fitnessstudio-Verband positiv überrascht
Dass auch Fitnesscenter wieder öffnen dürfen, erfreut den Schweizerischen Fitness- und Gesundheitscenter Verband (SFGV). Eine lang ersehnte Forderung sei endlich in Erfüllung gegangen, erklärte Verbandspräsidenten Claude Ammann gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.
Ammann betonte, dass die Fitnessstudios nunmehr ihren Beitrag zur Volksgesundheit leisten könnten. Es gehe nun darum, viele Menschen zu animieren, mitzumachen.
Gleichzeitig erinnerte Ammann, dass die vergangenen Monate mit den Schliessungen der Gesundheitscenter für die Branche eine sehr harte Zeit war. Umso mehr seien die Verantwortlichen froh über den plötzlichen Öffnungsentscheid.
Grünen-Präsident Glättli hässig
Die neuen Öffnungsschritte des Bundesrates, besonders in den Innenbereichen seien «unverantwortlich», schreibt Grünen-Präsident Balthasar Glättli auf Twitter. Kurz vor der Ziellinie dürfe die Geduld nicht verloren werden. Der Bundesrat setze «die früheren Erfolge aufs Spiel». Darum müssten weitere Öffnungsschritte an die Fortschritte der Impfkampagne geknüpft werden.
Darum brauche eine Beschleunigung der Impfkampagne. Es solle darum auch an Wochenenden und Feiertagen durchgeimpft werden.
Reaktion: Die Bewältigung der #Corona-Pandemie ist ein Marathon. Jetzt ist die Ziellinie dank den Impfungen in Sichtweite. Da dürfen wir die Geduld nicht verlieren! Die neuen Öffnungsschritte des Bundesrates, besonders in Innenbereichen, sind unverantwortlich.
— Balthasar Glättli🌻 🕊 (@bglaettli) April 14, 2021
Kantone sehen Öffnungsschritte trotz Coronavirus positiv
Die Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK) hat die schrittweise und vorsichtige Öffnungsstrategie als richtig bezeichnet. Namentlich seien die Öffnung der Aussenbereiche von Restaurants und die Rückkehr zum Präsenzunterricht in den Hochschulen im Sinne der Kantone.
Die Kantone hätten sich in der Konsultation Mitte März klar für diese beiden Lockerungsschritte ausgesprochen. Die Lockerungen seien in einer Situation mit tendenziell steigenden Coronavirus-Fallzahlen aber auch mit einem gewissen Risiko verbunden.
Die epidemiologische Lage sei weiterhin instabil. Vier der fünf vom Bundesrat definierten Richtwerte seien zurzeit nicht erfüllt. Ausserdem sei erst eine Minderheit der besonders gefährdeten Personen und des Pflegepersonals geimpft.
FDP spricht von vernünftigem Schritt
Auch die FDP begrüsst den Entscheid des Bundesrates. Der Bundesrat habe mit seiner Ankündigung Vernunft bewiesen.
Kritisiert wird jedoch der Verlauf der Impfungen in vielen Kantonen. Dabei mangle es offensichtlich an der Führung des BAG. Das sei inakzeptabel.
«Das Ziel gemäss den Forderungen unseres 100-Tage-Plans, bis Ende April 30 Prozent der Bevölkerung zu Impfen, wird somit kläglich verfehlt.» So heisst es in einer Mitteilung der Partei.
Der Druck auf die FDP-Bundesräte habe gewirkt, konstatiert die SVP in einer Medienmitteilung. Sie hätten ihre «antiliberale und wirtschaftsfeindliche Corona-Politik» aufgegeben. Allerdings lässt in den Worten der SVP das Tempo beim Öffnen «zu wünschen übrig».
SVP verlangt gleichberechtigte Öffnung
Die SVP verlangt denn auch, sämtliche Branchen gleichberechtigt zu öffnen und den Lockdown zu beenden. Nach Auffassung der SVP sei es willkürlich und nicht nachvollziehbar. Einerseits seien 50 Personen in Innenräumen erlaubt, aber die Restaurants müssten geschlossen bleiben. Auch stellt sie ein «viel zu grosses Regel-Wirrwarr» fest.
Mitte-Präsident Gerhard Pfister sprach in einer auf Twitter veröffentlichten Botschaft von einem «starken Signal» und «neuen Perspektiven». Die Partei «Die Mitte» selbst schrieb, die Öffnungen seien eine «Konsequenz erfolgreicher Massnahmen». Jetzt brauche es eine gemeinsame Kraftanstrengung beim Testen und Impfen.
Die Öffnungsschritte sind die Konsequenz erfolgreicher Massnahmen. Wir brauchen jetzt eine gemeinsame Kraftanstrengung beim #Testen und #Impfen.
— Die Mitte – Le Centre (@Mitte_Centre) April 14, 2021
Die SP begrüsst zwar die Perspektive für die Bevölkerung, sieht den Bundesrat angesichts der weiterhin kritischen Corona-Situation auf einer Gratwanderung. Um einen Jo-Jo-Effekt zu vermeiden, müssten die Schutzkonzepte in Innenräumen zwingend greifen, liess sich Co-Präsidentin Mattea Meyer im Communiqué zitieren.
Auch Jungparteien kommentierten die Entscheide am Mittwoch. «DANKE», schrieben die Jungfreisinnigen in ihrem Tweet.
Die Forderungen der Jungen fänden beim Bundesrat Gehör. «Der Bundesrat öffnet grosszügig», schrieb die Junge Mitte in ihrem Tweet. Sie hofft auf einen «Lichtblick auf baldige Impfungen für die Jungen».
Gewerbeverband zeigt sich enttäuscht von «minimen Öffnungsschritten»
Enttäuscht zeigt sich der Schweizerische Gewerbeverband (SGV). Der Bundesrat habe sich am Mittwoch nur zu minimen Öffnungsschritten durchringen können. Er kritisierte die «zögerliche und mutlose Pandemiebewirtschaftung» der Landesregierung.
Der Dachverband wiederholte in seiner Mitteilung die Forderung nach einer Beendigung des «Lockdown». Er kritisierte dazu namentlich, dass der Bundesrat an der Homeoffice-Pflicht festgehalten hat.
Der Umgang des Bundesrates mit den Folgen der Pandemie bleibe unverständlich und fordert, die «ruinösen Arbeitsverbote» endlich vollständig aufzuheben. Der Bundesrat müsse die Wirtschaft und Gesellschaft lähmenden und einseitig an der Gesundheitspolitik ausgerichteten Massnahmen beenden.
Gastrosuisse: Signal in richtige Richtung
Für das Gastgewerbe ist es ein erstes Signal in die richtige Richtung, dass Restaurants im Aussenbereich ab dem 19. April wieder Gäste empfangen dürfen. Doch das Vorgehen des Bundesrats sei zu zögerlich. Es verbessere die Situation im Gastgewerbe nicht, teilte der Branchenverband Gastrosuisse am Mittwoch mit
«Dass der Bundesrat den Branchenlockdown nicht sofort aufheben will, bleibt unverständlich und ist eine Ungleichbehandlung», schrieb Gastrosuisse. Das sei umso mehr der Fall, als Besuche in Kinos und Fitnessstudios, ebenfalls Innenräume, ab kommendem Montag wieder möglich seien.
Auch die Schweizer Bar und Club Kommission (SBCK) bewertet die Öffnungsschritte als positiv. Der Verband vermisst jedoch bei den vorgegebenen Schutzmassnahmen die Berücksichtigung neuer Elemente, wie etwa die nationale Teststrategie.
Teilperspektive für den Tourismus
Aus Sicht des Schweizerischen Tourismus-Verband STV ist die Öffnung der Restaurantterrassen erfreulich. Nach Monaten des kompletten Lockdowns liefere sie eine Teilperspektive und ermögliche zumindest einigen Betrieben eine Wiederaufnahme der Gäste-Bewirtung.
Beispielhaft sei in diesem Zusammenhang etwa das Vorgehen der Basler Regierung. Diese habe sich bei einer Öffnung der Terrassen für eine vorübergehende Ausdehnung der Aussenbestuhlung ausgesprochen. Ein ähnliches Vorgehen weiterer Kantone wäre aus Sicht der Tourismusbranche wünschenswert, hiess es.
Der Arbeitgeberverband (SAV) vermisst bei diesem vorsichtigen Kurs, dass er mit einer konkreten Perspektive für Wirtschaft und Gesellschaft verbunden werde.
Zu einer klaren Perspektive für die Wirtschaft gehöre zudem, dass die Homeoffice-Pflicht in eine Empfehlung umgewandelt werde. Darüber hinaus seien die Richtwerte, die Gesundheitsaspekte betreffen, nach Ansicht der Arbeitgeber zwingend durch wirtschaftliche und gesellschaftliche Aspekte zu ergänzen. So schreibt der Verband in einer Mitteilung.
Dafür nehme man zustimmen zur Kenntnis, dass die Kontaktquarantäne für Mitarbeitende von Unternehmen entfalle. Dies, insofern sie über ein Testkonzept verfügen und der vor Ort tätigen Belegschaft mindestens einmal pro Woche Testungen anbieten.