Cryptoleaks auf einer Ebene mit Snowden-Affäre und Huawei-Spionage
Wie tief steckt die Schweiz drin im Schlamassel der Cryptoleaks? Ziemlich tief, sagt IT-Unternehmer und SVP-Nationalrat Franz Grüter.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Spionageaffäre um die Zuger Firma Crypto AG beunruhigt Politiker von links bis rechts
- SVP-Nationalrat und IT-Experte Franz Grüter sieht Gefahren für den guten Ruf der Schweiz.
- Er stellt den Skandal auf gleiche Stufe wie den Fall Snowden.
Ist tatsächlich die Schweiz und ihr guter Ruf in Gefahr? Die Affäre um die CIA-gesteuerte Zuger Firma «Crypto AG» werde mit Sicherheit Konsequenzen haben, sagt SVP-Nationalrat und IT-Unternehmer Franz Grüter.
Cryptoleaks auf Augenhöhe mit anderen Geheimdienst-Skandalen
Der Fall bestätige, dass die Grossmächte ihr Macht auch im Cyber-Raum ausübten, «Cryptoleaks» also in bester Gesellschaft. «Die von Edward Snowden aufgedeckten Hintertüren der NSA in Routern und Servern von Cisco. Oder die Bedenken, gegenüber chinesischen Herstellern.»
Mit dem Unterschied, dass eine Schweizer Firma namens «Crypto AG» aus Zug im Zentrum steht. Und gleichzeitig Zug mit seinem «Crypto Valley» den Markt der Digitalwährungen aufmischen will.
«Wer hat Bescheid gewusst?»
Anders beurteilt dies Economiesuisse: «Das ist ein Einzelfall», sagt Jan Atteslander, Leiter Aussenwirtschaftspolitik. «Gestern war das eine grosse Geschichte, heute ist die Resonanz schon wieder gesunken.»
«Wenn es nur die Firma wäre, wäre es einfach ein Skandal», hält Grüter dem entgegen. «Die entscheidende Frage ist: Wer hat Bescheid gewusst?» Waren Bundesräte und Geheimdienstchefs im Bild, «ist das ein gigantischer Vertrauensbruch für viele Länder, die uns vertrauen.»
Den eins müsse man bedenken: «Die Schweiz bietet oft ihre ‹guten Dienste› in der internationalen Diplomatie an, und ist Vermittler zum Beispiel gerade zwischen Iran und den USA.» Iran wiederum hatte schon Mitte der 90-er-Jahre den Verdacht, dass mit seinen Chiffrier-Geräten etwas nicht stimmte. Crypto-Mitarbeiter Hans Bühler sass deswegen über 9 Monate in einem iranischen Foltergefängnis.
Schweiz ignorierte Warnungen
Schon damals kursierten Hinweise, dass eigentlich der deutsche Geheimdienst BND und die CIA hinter «Crypto AG» steckten. In den von der NSA als «top secret» eingestuften und 2015 freigegebenen «Friedman Papers» gab es sehr konkrete Anhaltspunkte dazu. Ehemalige Crypto-Mitarbeiter wie Jürg Spörndli berichteten schon damals von ihren Verdachten.
Die offizielle Schweiz aber mauerte, wusste von nichts, Untersuchungen verliefen im Sande. Weil man Mitwisser war im Dienste der CIA? Oder konnte die Schweiz gar selbst mithorchen, was gemäss Nau-Recherchen zumindest theoretisch möglich war?
Grüter befürchtet eher das umgekehrte, denn auch die Schweiz hat Crypto-Geräte im Einsatz. «Die offizielle Schweiz sagt, das seien andere Geräte», so Grüter. «Das würde ich ebenfalls kritisch hinterfragen: Ist die Schweiz nicht selbst auch Opfer dieser Geschichte?»
Schaden für Bund und IT-Branchen
So oder so: Der Schaden ist angerichtet: «Viele hatten Vertrauen in die Marke Schweiz. Dieses Vertrauen in staatliche Instanzen wird nun massiv geschwächt», sagt Grüter. Jan Atteslander von Economiesuisse will dagegen noch nicht von einem Reputationsschaden reden. Er begrüsst die vom Bundesrat veranlasste externe Untersuchung.
Dangerous by design: How the CIA and German BND conspired to sabotage the communications of allies and adversaries alike. https://t.co/MLZRFFXhYg
— Edward Snowden (@Snowden) February 11, 2020
Die meisten Parteien von links bis rechts wird das kaum reichen. Die SP hat bereits entschieden, eine Parlamentarische Untersuchungskommission zu fordern – Grüne, FDP oder auch Grüters SVP sympathisieren zumindest damit. Franz Grüter sieht aber auch ökonomische Folgen für die Schweiz. «Der Wirtschaftsstandort wird darunter nicht leiden, aber der Ruf einiger Branchen hat grossen Schaden genommen.»
Immerhin hat die Schweiz so die Chance, weiterhin in Hollywood-Filmen Thema zu sein: Die anrüchige «Schweizer Verschlüsslungsfirma» hat das Potenzial, das «Schweizer Nummernkonto» zu beerben.