Darum bleibt Bundesrat Alain Berset trotz Leaks beliebt
Gemäss einer repräsentativen Umfrage bleibt Alain Berset auch nach der Affäre um die Corona-Leaks ein Sympathieträger. Was macht den Freiburger so beliebt?
Das Wichtigste in Kürze
- Laut einer Umfrage von Sotomo erfreut sich Alain Berset noch immer grosser Beliebtheit.
- Dabei glaubt die Mehrheit nicht, dass er von den Indiskretionen nichts gewusst hatte.
- Für Politik-Analyst Mark Balsiger keine Überraschung: Berset könne mit Charisma punkten.
Seit Wochen geben die Enthüllungen über die Corona-Leaks rund um Alain Berset in der Schweizer Medienlandschaft den Ton an. Der Verdacht: Der Kommunikationschef des SP-Bundesrats hatte während der Corona-Pandemie ein wohlgesinntes Verlagshaus systematisch mit vertraulichen Informationen gefüttert. Im Gegenzug konnte der Innenminister von einer entgegenkommenden Berichterstattung vonseiten der Ringier-Publikationen profitieren.
Doch die ganze Angelegenheit scheint – ähnlich wie vergangene Affären – einfach an Alain Berset abzuperlen. Eine repräsentative Umfrage von Sotomo zeigt nämlich: Berset bleibt trotz Corona-Leaks ein Sympathieträger. Und das, obwohl nur 30 Prozent der Befragten glauben, dass er von den Indiskretionen nichts gewusst hatte.
Polit-Analyst Mark Balsiger: «Berset hat Charisma»
Für Politik-Analyst Mark Balsiger stellen die Umfragewerte keineswegs eine Überraschung dar. Schon vor zwei Wochen stand für den Experten fest, dass Alain Berset die ganze Angelegenheit «einfach aussitzen» werde. Dass seine Sympathiewerte noch immer auf dem Niveau von vergangenen Umfragen liegen, bestätige diese Einschätzung.
Balsiger weiter: «Die Umfrageresultate sind bemerkenswert. Sie zeigen, dass die breite Bevölkerung die Affäre anders beurteilt, als die meisten Medien.» Alain Berset dürfte sich über das positive Resultat freuen – schlechte Umfragewerte hätten den Druck auf den Bundespräsidenten erhöht.
Den Ursprung des positiven Umfrageresultates sieht Balsiger in der Strahlkraft von Alain Berset. «Er hat etwas, was nur wenige Leute in der Schweiz für sich reklamieren können: Charisma.» Auf diese Weise würden die Tatsachen in den Hintergrund treten: Ob er die Wahrheit erzählt, verblasse vor dem Hintergrund seines wahrhaftigen Auftretens. Berset lächelt in die Kamera und vermittelt glaubwürdig den Eindruck, die ganze Angelegenheit würde ihn überhaupt nicht betreffen.
Alain Berset und der «Trump-Effekt»
Dem pflichtet auch Studienleiter Michael Hermann von Sotomo bei: Gegenüber der «NZZ am Sonntag» spricht der Geschäftsführer des Meinungsforschungsinstituts in diesem Kontext gar von einem «Trump-Effekt im Kleinen»: «Viele Menschen halten zu ihm, weil sie ihn für glaubwürdig halten.» Dies könne man in den Vereinigten Staaten im Zusammenhang mit dem Ex-Präsidenten seit Längerem beobachten.
Überdies betont Hermann, dass es einen grossen Graben zwischen Insidern und Outsidern gebe: Nur wer mit dem politischen System der Schweiz bestens vertraut sei, könne die volle Tragweite der Angelegenheit richtig einschätzen. Für Aussenstehende sei die Brisanz der Indiskretionen allerdings weniger ersichtlich – und die Frage danach weniger interessant.
Strategie des Aussitzens
Tatsächlich hat die gesamte Affäre mehr als nur einen faden Beigeschmack: In Zeiten der eingeschränkten Macht von Volk und Parlament systematisch Vorab-Informationen an ein wohlgesinntes Medienunternehmen weiterzugeben, wirft zweifelsohne Fragen auf.
Bisher scheint Alain Bersets «Strategie des Aussitzens» aber aufzugehen: Seine Gegner hätten nichts Wesentliches gegen ihn in der Hand, urteilt Balsiger. Die Untersuchung der GPKs dürfte nach Einschätzung von Politologen Schwierigkeiten haben, Substanzielles aufzudecken.
Bis Resultate vorliegen, dürfte es ohnehin noch lange dauern. Auch Balsiger ist überzeugt: Wenigstens bis auf Weiteres spielt die Zeit für Alain Berset. Gleichzeitig gibt der Experte zu bedenken, dass dies zu einer Belastung werden könnte, falls Berset im Dezember eine Wiederwahl anstrebt.