Das Verordnungsveto für das Parlament ist umstritten
Sollen die eidgenössischen Räte ein Veto einlegen können, wenn ihnen Verordnungen des Bundesrates nicht passen? Bürgerliche sind dafür, SP und Kantone nicht.
Das Wichtigste in Kürze
- Bürgerliche sehen in einem möglichen Verordnungsveto eine «Notbremse».
- Die SP spricht von einer «Ritzung» der Gewaltenteilung.
Heute erlässt das Parlament die übergeordneten rechtsetzenden Bestimmungen in Form von Gesetzen. Die Bestimmungen zur Umsetzung oder Konkretisierung der Gesetze legen der Bundesrat und die Departemente in Verordnungen fest.
Nach Ansicht der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates (SPK) kommt es aber gelegentlich vor, dass eine Verordnungsbestimmung nicht dem Willen des Gesetzgebers entspricht. Das Parlament sollte in diesen Fällen die Möglichkeit haben, zu intervenieren. Die SPK will deshalb ein Verordnungsveto einführen.
Sie sieht darin eine «Notbremse» gegen eine falsche Interpretation des Parlamentswillens durch den Bundesrat. Die Vernehmlassungsfrist zur Änderung des Parlamentsgesetzes endete heute Freitag.
Hohe Hürden
SVP, FDP, CVP, GLP und BDP sind mit dem Vorschlag der SPK-Mehrheit grundsätzlich einverstanden. Mit dem Verordnungsveto werde kein Verhinderungsinstrument geschaffen, schreibt die FDP. Denn die hohen Hürden sorgten dafür, dass nicht mit einer «übermässigen Inanspruchnahme» gerechnet werden müsse.
Konkret kann der Rat erst über ein Veto entscheiden, wenn mindestens ein Drittel seiner Mitglieder einen entsprechenden Antrag unterstützt und die Mehrheit der vorberatenden Kommission diesen befürwortet.
Der Antrag auf ein Verordnungsveto muss innert 15 Tagen nach Publikation des Verordnungsentwurfs eingereicht sein, und die Kommission muss innert 60 Tagen darüber entscheiden. Damit das Veto gilt, müssen beide Räte zustimmen.
Die SVP, aus deren Küche der ursprüngliche Vorstoss stammt, erwartet davon eine präventive Wirkung im Hinblick auf die Regulierungsflut. Sie möchte allerdings, dass ein Rat auch ohne Mehrheitsbeschluss der Kommission über das Verbot einer Verordnung befinden kann.
Auch die BDP findet, dass Veto-Anträge auch dann ins Plenum kommen müssen, wenn sich die vorberatenden Kommissionen ablehnend dazu geäussert hat. Das entspreche dem üblichen Verfahren.
«Kassatorische Wirkung»
Die Kantone dagegen lehnen das Verordnungsveto entschieden ab. Nach Ansicht der Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) reichen die vorhandenen politischen und rechtlichen Instrumente des Parlaments aus. Ein «kassatorisch wirkendes Veto» würde dem «konstruktiven Zusammenarbeiten» von Legislative und Exekutive entgegenwirken.
Erfahrungen im Kanton Solothurn hätten gezeigt, dass das Verordnungsveto «primär zur Wahrung politischer Interessen eingesetzt werden dürfte», so die Regierungskonferenz. Greife das Parlament ins rechtlich korrekt ausgeübte Vollzugsermessen der Regierung ein, verletzte dies die Gewaltenteilung.
Die Kantone machen auch geltend, dass ein Vetorecht für die Räte das Inkrafttreten von Verordnungen verzögern würde. Damit befände sich dann auch das zugehörige Gesetz länger in der Schwebe, und dies würde den Vollzug von Bundesgesetzen in den Kantonen behindern.
Gewaltenteilung «geritzt»
Auch die SP, die der ablehnenden Minderheit der SPK folgt, sieht die Gewaltenteilung «geritzt». Das heutige System habe sich bewährt, schreibt sie. Das Parlament habe die Möglichkeit, mit Motionen Anpassungen an Verordnungen zu verlangen und über die zuständigen Kommissionen auch bei der Gestaltung von Verordnungen mitzureden.
Das Drittels-Quorum für das Beantragen eines Vetos nennt die SP «viel zu tief» angesichts der Zusammensetzung des Nationalrates. Eine einzelne Fraktion – jene der SVP mit zurzeit 68 Mitgliedern – wäre dazu in der Lage. Sollte das Veto eingeführt werden, hält es die SP für gerechtfertigt, Vetos im Plenum nur zu traktandieren, wenn die Mehrheit der vorberatenden Kommission zugestimmt hat.