Das Wichtigste zur Reform der beruflichen Vorsorge
Die Schweiz stimmt am 22. September erneut über eine sozialpolitische Vorlage ab, nämlich über die Reform der beruflichen Vorsorge. Sie soll die zweite Säule finanziell stabilisieren und Menschen mit tiefen Einkommen zu mehr Rente verhelfen. Nachfolgend das Wichtigste zur Vorlage.
Die Lebenserwartung steigt und ebenso der Anteil der Pensionierten in der Bevölkerung. Andererseits erzielt das von den Pensionskassen angelegte Kapital weniger Rendite. Die Renten der zweiten Säule werden vorwiegend mit Lohnbeiträgen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern finanziert.
In der Schweiz gibt es rund 1400 Vorsorgeeinrichtungen und ebensoviele Pensionskassenreglemente. Die berufliche Vorsorge wurde 1985 eingeführt, mit dem Inkrafttreten Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG). Nach einer ersten Revision in den Nullerjahren sind mehrere Reformversuche gescheitert, darunter die Senkung des Umwandlungssatzes.
Mindestumwandlungssatz soll von 6,8 auf 6,0 Prozent gesenkt werden
Auf der einen Seite soll der Mindestumwandlungssatz – massgebend für das BVG-Minimum – für die Berechnung der Renten von 6,8 auf 6,0 Prozent gesenkt werden. Pro 100'000 Franken Alterskapital würden damit statt wie heute 6800 Franken noch 6000 Franken ausbezahlt. Im Gegenzug soll mehr Vorsorgekapital angespart werden können. Der Koordinationsabzug, der heute das zu versichernde Einkommen bestimmt, fällt weg.
Stattdessen sollen 80 Prozent des AHV-pflichtigen Einkommens versichert werden. Neu sollen Personen eine zweite Säule erhalten, deren Einkommen dafür heute zu tief ist. Die Eintrittsschwelle in die Pensionskasse wird von 22'050 Franken Jahreslohn auf 19'845 Franken gesenkt. Rund 70'000 Personen, darunter viele Frauen mit kleinen Pensen, sollen ihre Löhne neu in der beruflichen Vorsorge versichern.
Jahrgang und Höhe des Alterskapitals entscheidend
Wer in den ersten 15 Jahren nach dem Inkrafttreten in Rente geht und nicht mehr viel Zeit für zusätzliches Sparen hat, kann einen lebenslangen Rentenzuschlag von bis zu 200 Franken im Monat erhalten. Entscheidend sind der Jahrgang und die Höhe des Alterskapitals. Rund die Hälfte aller Versicherten dürften den Zuschlag erhalten. Kommt die Reform 2027, sind es die Jahrgänge 1962 bis 1976.
Die Zuschläge kosten über 15 Jahre insgesamt rund 11,3 Milliarden Franken. Finanziert werden sie von den Pensionskassen und mit Beiträgen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Profitieren sollen schliesslich auch Ältere: Pensionskassenbeiträge für Angestellte ab 54 Jahren werden gesenkt. Dafür werden für bis 34-Jährige höhere Einzahlungen fällig.
Pensionskassenreform trifft vor allem Erwerbstätige
Die Pensionskassenreform trifft nach Angaben des Bundes vor allem Erwerbstätige, die nach BVG-Minimum oder nur wenig mehr versichert sind. Das dürfte höchstens ein Drittel aller Versicherten sein. Modellrechnungen gehen davon aus, dass Menschen mit unter 60'000 Franken Jahreslohn sowie Mehrfachbeschäftigte von höheren Altersguthaben profitieren. Gewisse Personen werden mit der Reform zwar weniger zahlen müssen, aber auch weniger Rente erhalten.
Und es ist auch nicht ausgeschlossen, dass jemand mehr einzahlen und dabei weniger Rente haben wird. Für wen die Reform wie aussehen wird, hängt von der persönlichen Situation ab – etwa der beruflichen Laufbahn und dem Reglement der Vorsorgeinrichtung. Über das Obligatorium hinaus Versicherte sind nicht betroffen, und für bereits Pensionierte ändert sich nichts.
Berufliche Vorsorge stehe vor doppelter Herausforderung
Die berufliche Vorsorge müsse stabilisiert und an die heutigen Realitäten angepasst werden, begründet Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider das Ja des Bundesrates zur Reform. Die berufliche Vorsorge stehe wegen steigender Lebenserwartung und schrumpfender Renditen vor einer doppelten Herausforderung. Auch soll der Gender-Gap verringert werden, indem mehr Frauen ihre Löhnte in der zweiten Säule versichern können.
Die Linke bekämpft die Reform mit dem Referendum und macht geltend, dass die Vorlage zu tieferen Renten führe. Für Ständerat Pierre-Yves Maillard, Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB), geht die Senkung des Umwandlungssatzes in die falsche Richtung.