Deshalb dominiert SVP laut Expertin auf Tiktok

Kaspar Schwarzenbach
Kaspar Schwarzenbach

Bern,

Auf Tiktok erhält die SVP mehr Aufmerksamkeit als ihre Konkurrenz: Social-Media-Expertin Lorella Liuzzo erklärt, welche Faktoren dazu führen können.

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Politische Werbung auf Tiktok steckt in der Schweiz noch in den Kinderschuhen – doch ähnlich wie in Deutschland dominieren bürgerliche Parteien: Die SVP ist Spitzenreiterin. (Symbolbild) - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Auf Tiktok erhält die SVP mehr Aufmerksamkeit als die Konkurrenz – ähnlich wie die AfD.
  • Social-Media-Expertin Lorella Liuzzo erklärt, warum.
  • Der Algorithmus befeuere die Dominanz. Überdies verstehe die SVP die Plattform besser.

Weltweit freut sich Tiktok über mehr als eine Milliarde aktive User – jeden Monat. Die Plattform dient vielen Menschen längst nicht mehr nur zu reinen Unterhaltungszwecken.

Manch einer hat bereits erkannt, dass die Reichweite in den sozialen Medien effektiv für Werbung und Marketing gebraucht werden kann. Zunehmend hält diese Erkenntnis auch in der Politik Einzug: Immer mehr politische Akteure und Parteien nutzen Tiktok für ihre Wahl- und Abstimmungskämpfe und zur Rekrutierung neuer Mitglieder.

In unserem nördlichen Nachbarland ist die Alternative für Deutschland (AfD) in diesem Bereich als Spitzenreiterin zu verstehen: Fraktionspräsidentin Alice Weidel hat eine grössere Fan-Community als jede andere politische Figur des Landes. Ganz im Allgemeinen dominiert die AfD das Medium – sechs der zehn erfolgreichsten Polit-Accounts sind der Partei zuzurechnen.

Schweizer Parteien auf Tiktok: Flaggschiff SVP

Hierzulande stecken politische Inhalte auf Tiktok noch in den Kinderschuhen – dennoch zeigt sich ein ähnliches Bild: Mit rund 19'300 Followern geniesst die SVP deutlich mehr Aufmerksamkeit als die Konkurrenz. An zweiter Stelle folgt die SP mit rund 13'600 Followern – danach herrscht gähnende Leere.

Mit 1542 Followern belegen die Jungsozialisten gegenwärtig den dritten Platz, vor den Grünen mit 1244 Followern. Alle anderen Parteien sind entweder gar nicht auf Tiktok oder kommen nicht über Followerzahlen von 1000 hinaus. Zum Vergleich: DPD Schweiz – ja genau, die Paketboten – wären mit ihren 820 Followern im Parteien-Ranking auf Platz vier!

Schweizer Politiker auf Tiktok: Platzhirsch Andri Silberschmidt

Der Blick auf einzelne Politiker wiederum zeigt einen klaren Platzhirsch: FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt erfreut sich über 13'400 Follower. Der Basler Grossrat Eric Weber wiederum folgt mit 11'300 Followern auf Rang zwei. Mit seinen 441'900 Likes ist der Exzentriker vom Rheinknie allerdings als Interaktionskönig unter den offiziellen Schweizer Polit-Accounts zu verstehen: Sein Kanal generiert den grössten Traffic.

Allgemein scheint Tiktok von Schweizer Parteien und Politikern aber nur bedingt benutzt zu werden. Selbst das sprichwörtliche «Flaggschiff SVP» postet nur im Wahlkampf regelmässig. Einzelne Politiker sind etwas aktiver, doch insgesamt fehlen auch hier vergleichbare Trends, wie sie bei deutschen Politkern zu beobachten sind.

Tiktok-Expertin ordnet ein

Lorella Liuzzo ist Tiktok-Expertin und doziert an der Fachhochschule Nordwestschweiz – auf Anfrage von Nau.ch bestätigt sie diese Beobachtungen. Wie sie erklärt, nutzen hierzulande tatsächlich nur wenige politische Akteure die Plattform aktiv: «Wenn sie es tun, dann nur während des Wahlkampfs und meist ohne die notwendige Sorgfalt und Kenntnis des Mediums.»

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Lorella Liuzzo ist Tiktok-Expertin und doziert an der Fachhochschule Nordwestschweiz: Sie weiss, dass Tiktok in der Schweizer Politik noch in den Kinderschuhen steckt. (Archivbild) - Agentur «Ellaciao»

Tiktok zeichne sich nämlich primär durch kurze und knackige Videosequenzen aus: «Kein ‹Blabla› – man muss sofort zum Punkt kommen. Die Videos sind schneller geschnitten, schnelllebiger und gerade für ältere Zielgruppen oft zu hektisch.» Eine effektive Nutzung der Plattform erfordere, dass Videos von der ersten Sekunde an fesseln und pointiert seien.

Entsprechend begünstigten die Algorithmen der Plattform insbesondere Inhalte, die schnell verstanden werden und unmittelbare Reaktionen hervorrufen. «Dabei macht Tiktok keinen Unterschied zwischen positiven und negativen Interaktionen. Das Ziel ist es, möglichst viel Engagement zu erzeugen», so Liuzzo.

Rechte Parteien und Argumente im Vorteil

Rechte Parteien tendierten dazu, eine einfachere und volksnähere Sprache zu verwenden. Daneben setzten sie häufiger auf polarisierende, provokante Inhalte – «solche Inhalte werden vom Tiktok-Algorithmus bevorzugt. Deshalb erhalten sie eine grössere Reichweite.»

Der ehemalige US-Präsident Donald Trump setze diese Strategie mit bemerkenswertem Erfolg ein: «Er bedient sich einer sehr einfachen Sprache und trifft kurze, prägnante Aussagen, die starke emotionale Reaktionen auslösen.»

Seine Clips seien deshalb massenweise geteilt worden. Die Reden von seinem Vorgänger Barack Obama hingegen seien für die Allgemeinheit viel schwieriger zu verstehen.

SVP versteht Tiktok besser, aber ...

Genau das mache die SVP besser als andere Parteien, erklärt die Expertin: «Die Videos sind oft ‹tiktokiger› und setzen meist kein Vorwissen voraus. Die Inhalte lassen sich einfach teilen und man ist einverstanden oder nicht – eine Reaktion entsteht aber auf jeden Fall.» Kombiniert mit der Tatsache, dass die SVP die wählerstärkste Partei des Landes ist, könnte dies die Dominanz der Volkspartei erklären.

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Von allen Parteien scheine die SVP Tiktok am besten zu verstehen: Kombiniert mit der Tatsache, dass die SVP die wählerstärkste Partei ist, könnte dies ihre Dominanz erklären. (Symbolbild) - keystone

Trotzdem erkenne man noch immer, dass die Videos von Personen hochgeladen werden, die vermutlich nicht zur Tiktok-Zielgruppe gehören. «Die meisten politischen Accounts wirken in ihrer Machart immer noch altbacken und die Inhalte sind einfach nicht zeitgemäss.»

Insgesamt ist die Expertin überzeugt, dass eine gute Tiktok-Strategie allen Schweizer Parteien sicherlich zugutekommen würde. «Vornehmlich, um eine jüngere Zielgruppe zu erreichen», so Liuzzo.

«Das Interesse ist nämlich da! Das sieht man beispielsweise am Account ‹Swiss Politics TV› mit seinen 43'800 Followern, gutem Engagement und hohen Viewerzahlen.»

Sollten Schweizer Politiker vermehrt auch via Tiktok auf Stimmenfang gehen?

Zusammenfassend hält Tiktok-Expertin Lorella Liuzzo fest: «Eine Offenheit für neue Kommunikationsformen und eine Bereitschaft, traditionelle Pfade zu verlassen, könnten entscheidend sein. Die Schweizer Parteien müssen sich dieser Herausforderung stellen, um in der digitalen Landschaft relevant zu bleiben.»

Kommentare

User #1003 (nicht angemeldet)

Die wollen TikTok verbieten weil die jungen Amis pro Palestine sind. Daher werden die Studenten auch als Antisemiten und Terroristen bezeichnet obwohl viele Juden darunter

User #2917 (nicht angemeldet)

> Kombiniert mit der Tatsache, dass die SVP die wählerstärkste Partei des Landes ist, könnte dies die Dominanz der Volkspartei erklären. 760000 Türken und Italiener haben SVP gewählt.

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