Die Sicherheitsuntersuchungsstelle ist überlastet
Immer seltener gelingt es der Sicherheitsuntersuchungsstelle, gefährliche Vorfälle und Unfälle im Flugverkehr fristgerecht aufzuklären. Der Bund ist gefordert.
Das Wichtigste in Kürze
- Immer öfter kommt es in der Schweiz zu gefährlichen Situationen und Unfällen in der Luft.
- Die Sust ist am Anschlag: Nur vier Prozent der Fälle werden fristgerecht aufgeklärt.
- Bundesrat und Nationalratskommission planen Massnahmen zur Verbesserung der Situation.
Die Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle (Sust) hat mit Überlastung zu kämpfen: Immer seltener gelingt es der Behörde, gefährliche Vorfälle und Unfälle im Flugverkehr fristgerecht aufzuklären.
Wie Recherchen des «SonntagsBlick» zeigen, hat die Behörde in den letzten zwei Jahren nur vier Prozent dieser Untersuchungen rechtzeitig aufgeklärt. Das ist problematisch: Denn die Ergebnisse dienen auch dazu, allfälligen Handlungsbedarf aufzuzeigen, um schnellstmöglich Massnahmen ergreifen zu können. Vorgeschrieben ist eine Frist von 12 bis 18 Monaten – je nach Gewicht der Flugzeuge.
Zunehmende Anzahl gefährlicher Situationen in der Luft
Die Untersuchungen dauern oft doppelt so lange wie vorgesehen und über 80 Fälle sind noch offen. Daneben ist die Sust an zahlreichen Untersuchungen ausländischer Behörden beteiligt. Am Ursprung des Missstandes stehe die zunehmende Anzahl gefährlicher Situationen in der Luft: 2015 wurden 1260 Fälle gemeldet – 2023 waren es über 1800.
Hinzu komme die Tatsache, dass Personen, die an Unfällen beteiligt waren, die Untersuchungsstelle zunehmend mit Arbeit eindeckten: Vermehrt würden Rechtsanwälte eingeschaltet, was einen erheblichen Mehraufwand verursache.
Der Zielwert für den fristgerechten Abschluss der Aviatik-Untersuchungen sei «deutlich unterschritten», räumt Stephan Eder ein. Der Leiter des Untersuchungsdiensts der Sust fügt hinzu: «Wir sind dabei, ältere Untersuchungen abzuschliessen und gleichzeitig kommen immer mehr neue Fälle dazu.»
Bundesrat und Nationalratskommission sehen Handlungsbedarf
Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats hatte diesen Missstand bereits vergangenen November kritisiert. Im Februar folgte der Bundesrat – auch die Landesregierung sieht Handlungsbedarf: Er plant eine Vergrösserung der Kommission der Sust – dem Leitorgan der Behörde.
Aktuell besteht die Kommission aus drei Mitgliedern. Im ersten Halbjahr 2024 sollen zwei weitere Mitglieder hinzukommen. Aber auch beim Untersuchungsdienst selbst könnten bald weitere Mitarbeiter hinzukommen. Allerdings will der Bundesrat damit warten, bis die neu aufgestellte Kommission eine Beurteilung vorgelegt hat.
Stephan Eder hingegen hat wenig Hoffnung, dass sich die Situation demnächst entspannen werde: «Das wird noch zwei bis drei Jahre andauern», erklärt er gegenüber «SonntagsBlick».
Um das Personal zu entlasten und die Untersuchungen zu beschleunigen, führe die Sust jüngst vermehrt weniger detaillierte Untersuchungen durch. Auch bei umfassenden Untersuchungen werde zunehmend nach dem Prinzip «needed vs. nice to know» vorgegangen: Nur das Wesentliche wird untersucht.