Flüchtlingskrise

Flüchtlingskrise an polnischer Grenze: Schweiz schaut hilflos zu

Die Flüchtlingskrise an der belarussisch-polnischen Grenze setzt die EU unter Druck. Die Schweiz sieht sich nur teilweise involviert – ausser mit Frontex.

Lukaschenko Flüchtlinge Polen
Flüchtlinge versuchen, durch Weissrussland nach Europa zu gelangen. Dem weissrussischen Autokrat Alexander Lukaschenko wird vorgeworfen, dies alles orchestriert zu haben. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • An der belarussischen Grenze zu Polen campieren derzeit hunderte von Asylsuchenden.
  • Das Lukaschenko-Regime will so die EU schikanieren, Polen lehnt EU-Hilfe ab.
  • Wie die Schweiz mithelfen könnte, ist eher unklar, sagen Aussenpolitikerinnen.

Der autoritäre Präsident von Belarus, Alexander Lukaschenko, hat es nicht gut mit der EU. Die prekäre Lage an der polnischen Grenze, wo Asylsuchende vor einem Zaun ausharren, habe er orchestriert, twittert das polnische Verteidigungsministerium. Laut Erfahrungsberichten von Flüchtlingen bietet Belarus Flüchtlingen Flüge aus Libanon an, damit sie einfacher nach Europa gelangen können. So will Lukaschenko die EU-Behörden unter Druck setzen.

Was genau an der Grenze geschieht, ist unübersichtlich, was auch Schweizer Aussenpolitiker etwas ratlos lässt. Gemäss polnischen Behörden feuerten die weissrussische Armee Schüsse, um die Asylsuchenden einzuschüchtern. Gleichzeitig aber teilt das Verteidigungsministerium Polens mit, aufgrund von Angriffen der Flüchtlinge auf ihre Sicherheitskräfte auch Schüsse abgefeuert zu haben.

Polen will keine EU-Hilfe

Die Grenzschutzbehörde Frontex sowie auch die Asylbehörde Easo stünden bereit, sagte die EU-Kommission am Montag. Polen müsse deren Hilfe bloss anfordern. Laut EU-Behörden lehnt Polen aber jede Hilfe aus Brüssel ab.

Frontex Griechenland Flüchtlinge
Frontex-Beamte und -Beamtinnen helfen an der Küste der griechischen Insel Lesbos, November 2019. - Keystone

Die Schweiz ist zwar nicht Teil der EU, wirkt aber beim Grenzschutz mit. So finanziert die Schweiz auch Frontex mit. Gegen eine Erhöhung der Frontex-Unterstützung wurde jedoch das Referendum ergriffen, welches von links-grün unterstützt wird. Genau hier wird es nun argumentativ knifflig.

Schweiz ringt mit Verantwortung

Eigentlich wären die SP und Grünen gegen mehr Ressourcen für Frontex, weil diese unter anderem bei illegalen Pushbacks nicht eingriff. Jetzt aber könnte Frontex in Polen nützlich sein und die Lage entspannen. Für Sibel Arslan (Grüne/BS) ist das an sich kein Widerspruch: Die Schweiz könnte mit einem Nein zur Beitragserhöhung mehr Druck für eine Grenzschutzreform aufbauen.

«Frontex müsste schon längst mehr Grundrechtsbeobachterinnen und -beoachter stellen. Hier könnte eventuell auch die Schweiz helfen», sagt Arslan auf Anfrage. Die Agentur müsste gemäss Mandat vierzig solche Beobachter einstellen, es fehlen aber Stand Oktober 2021 noch zwanzig. Zugleich müssten die Frontex-Beamten besser auf Menschenrechte sensibilisiert werden, erklärt Juristin Arslan.

Mehr könne die Schweiz jedoch im Moment nicht machen; in diesem Punkt ist sich Arslan mit Ratskollegin Elisabeth Schneider-Schneiter (Mitte/BL) einig. Beide plädieren für humanitäre Hilfe vor Ort: «Den Menschen in der Not und Kälte helfen steht jetzt über allem», sagt Letztere.

SVP und Linke schmieden Allianz gegen Frontex

Wie das genau geschehen soll, lässt Schneider-Schneiter mehr oder weniger offen. Ihr Aussenkommissionskollege Fabian Molina (SP/ZH) ruft die Schweiz dazu auf, bei Sanktionen gegen Belarus mitzumachen. «Andererseits muss sie sich beim UNHCR (Flüchtlingskommission der Vereinten Nationen) für die sofortige Entsendung einer Mission starkmachen», so der Zürcher. Dieses habe das Recht und die Pflicht, den Flüchtenden Unterschlupf und ein ordentliches Asylverfahren zu gewähren.

SVP-Aussenpolitiker Roland Rino Büchel möchte den Flüchtlingen keine Hoffnungen machen. Dann würden sich diese nicht «auf den Weg machen und in die Fänge von Leuten wie Lukaschenko» begeben.

In einem Punkt ist sich der St. Galler aber mit den linken Parlamentsmitgliedern einig: «Frontex entwickelt sich immer mehr zu einem Fass ohne Boden», findet Büchel. «Die Mittel sind besser eingesetzt, wenn sie zum Schutz der eigenen Grenzen verwendet werden.»

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