Fünf Tage Knast für «Steinigung»: Kuscheljustiz im Militär?
Nach der «Steinigung» eines Rekruten wanderten die Verantwortlichen maximal fünf Tage in den Knast. Eine Alibi-Bestrafung, finden jetzt Politiker.
Das Wichtigste in Kürze
- Wachtmeister liessen Rekruten einen Kollegen mit Kastanien bewerfen.
- Dafür wurden die Kaderleute diszipliniert und mussten maximal fünf Tage ins Gefängnis.
- Das sind nicht die von Guy Parmelin geforderten scharfen Sanktionen, finden Politiker.
«Kuscheljustiz!» Für SP-Nationalrat Cédric Wermuth sanktioniert die Militärjustiz mit Samthandschuhen. Es fehle vor allem an Sensibilität. «Der Mann muss seinen Dienstgrad verlieren.»
Aufreger ist ein Video. Dieses zeigt, wie Rekruten der Schweizer Armee einen Tessiner Rekruten auf Befehl des vorgesetzten Wachtmeisters mit unzähligen Kastanien bewerfen. Konsequenz: eine Disziplinierung von zwei Kaderleuten.
Maximal bedeutet dies fünf Tage im Militärknast bei Bibel und Wasser. Ein Untersuchungsrichter kam nun zum Schluss, dass diese Strafe ausreiche. Er stellte Missbrauch der Befehlsgewalt sowie Nichtbefolgung der Dienstvorschriften fest.
Für SVP-Nationalrat Werner Salzmann ist daher das Strafmass angemessen. «Auf Grund des Untersuchungsergebnisses, wonach kein Mobbing und keine Diskriminierung stattfand, erachte ich die Strafe als angemessen und verhältnismässig.»
Strafe zu sanft?
Balthasar Glättli ist hingegen einigermassen erstaunt. «Ich respektiere als Parlamentarier natürlich die Gewaltentrennung und die Unabhängigkeit der Justiz», so der Grünen-Fraktionschef.
«Ich kann aber verstehen, wenn die Öffentlichkeit von aussen betrachtet findet, dass die Strafe eher zu sanft sei.» Er gibt aber zu, als Dienstuntauglicher zu wenig mit dem Fall und den Strafmassen im Militärrecht vertraut zu sein.
«Grundsätzlich fand ich die unmissverständliche Reaktion von Guy Parmelin richtig, der die Aktion scharf verurteilte. Das erwarte ich auch von einem VBS-Chef.»
Für Priska Seiler Graf ist die Verhältnismässigkeit bei diesem Strafmass nicht gegeben. Allein darauf zu fokussieren, greife jedoch zu wenig weit. «Statt das Problem zu individualisieren, sollte es als strukturelles Problem der Armee wahrgenommen und ernsthaft angegangen werden. Es braucht mehr Prävention, namentlich durch Sensibilisierung.»
Militärethik nicht umgesetzt
Die Grundlage dazu sei mit dem bundesrätlichen Bericht über die Militärethik seit 2010 vorhanden. In diesem Bericht wurden Massnahmen gegen Ausgrenzung aller Art in der Armee untersucht.
Die Grundlagen seien zwar in den entsprechenden Anordnungen vorhanden, könnten aber noch besser vermittelt werden, so der Bericht. Grundsätzlich bestünde jedoch kein Problem mit den ethischen Grundsätzen in der Armee.
Seiler Graf zeigt das Beispiel, dass die Erkenntnisse des Berichts nicht umgesetzt sind. «Der darin enthaltene Massnahmenkatalog wurde leider nie umgesetzt. Das ist für mich der Hauptgrund für wüste Szenen wie die RS-‹Steinigung›.»