GFS-Umfrage: Versorgungssicherheit wichtiger als Klimaschutz
Gemäss einer GFS-Umfrage ist die Bevölkerung mit der Stossrichtung der Energiepolitik einverstanden. Dabei hat die Versorgungssicherheit oberste Priorität.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Mehrheit der Bevölkerung ist mit der Stossrichtung der Energiepolitik einverstanden.
- Dabei geniesst die Gewährleistung der Versorgungssicherheit oberste Priorität.
- Ferner sind Befragte bereit, tausende Franken zu investieren, nicht aber zehntausende.
Die Schweizer Bevölkerung unterstützt mit grosser Mehrheit den inländischen Ausbau der erneuerbaren Energien, weil dies die Versorgungssicherheit stärkt, die Auslandabhängigkeit bekämpft und gelebter Umweltschutz ist.
Die Versorgungssicherheit geniesst im Trilemma mit Klimaneutralität und bezahlbaren Strompreisen oberste Priorität. Das sind die Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage von «gfs.bern» im Auftrag des Verbands Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE).
Bevölkerung mehrheitlich mit Stossrichtung einverstanden
Die Schweizer Bevölkerung bekennt sich klar zur eingeschlagenen Stossrichtung: Insgesamt 59 Prozent der Bevölkerung ist mit der aktuellen Schweizer Energiepolitik eher oder sehr einverstanden. Verglichen mit derselben Umfrage von vor einem Jahr bedeutet dies eine Zunahme von 3 Prozent.
Die Zustimmung zur aktuellen Energiepolitik besteht ungeachtet der Tatsache, ob man auf dem Land oder in der Stadt wohnt. Sie ist auch geschlechter- und altersunabhängig und bis auf eine Ausnahme auch keine Frage der Parteizugehörigkeit. Einzig die SVP-Anhängerschaft ist eher oder überhaupt nicht einverstanden mit der energiepolitischen Stossrichtung (53 Prozent Ablehnung).
68 Prozent der Befragten sind mit der Aussage einverstanden, dass die Energiewende in der Schweiz viel zu langsam vorwärtsgehe. Eine Mehrheit ist aber auch der Meinung, dass erneuerbare Energien nicht ausreichten, um den Strombedarf zu decken (63 Prozent).
Versorgungssicherheit stärken
Aus den Umfrage-Ergebnissen geht hervor, dass die Bevölkerung den inländischen Ausbau der erneuerbaren Energie als Lösung für verschiedene Baustellen versteht. Die Versorgungssicherheit geniesst weiterhin absolute Priorität in der Bevölkerung. Unverändert im Vergleich zur letztjährigen Umfrage sind die Befragten der Meinung, dass die Gewährleistung der Versorgungssicherheit die Kernaufgabe der Energiepolitik sein muss (50 Prozent).
Dass Strom bezahlbar und klimaneutral produziert werden soll, sind mit je rund 25 Prozent Zustimmung eindeutig sekundäre Aufgaben. Nur Grünen-Wähler ordnen die Versorgungssicherheit einer anderen Aufgabe unter: Sie priorisieren klar die klimaneutrale Stromproduktion.
Hohe Akzeptanz für die Erneuerbaren, keine Mehrheit für die Kernkraft
Dass die Bevölkerung hinter den erneuerbaren Energien steht, verdeutlichen die hohen Zustimmungswerte für die verschiedenen Produktionstechnologien: 97 Prozent befürworten den Ausbau von Solaranlagen auf Gebäuden und Fassaden. 89 Prozent befürworten den Ausbau der Wasserkraft, 76 Prozent denjenigen der Windkraft.
Nicht überzeugt ist die Bevölkerung jedoch von grossen Solaranlagen in den Bergen und auf Freiflächen. Sie befürwortet aber eindeutig neue Stauseen an Standorten, wo früher ein Gletscher war. Gleiches gilt für Windräder, die vom eigenen Haus aus auf dem Hügel sichtbar sind. Auch gegenüber dem Ausbau anderer Energieformen wie Biomasse, Geothermie und Wasserstoff zeigt sich die Bevölkerung mit jeweils grossen Mehrheiten offen.
Die Kernkraft spielt für die Bevölkerung im künftigen Energiesystem keine Rolle. Weder der Bau von neuen Kernkraftwerken der aktuellen Generation, noch der vierten Generation, findet in der Bevölkerung eine Mehrheit: nur 34 Prozent befürworten erstere, 43 Prozent letztere.
Energiewende darf etwas kosten
Eine knappe Mehrheit der Bevölkerung ist grundsätzlich nicht der Meinung, dass die Energiewende zu teuer ist, 52 Prozent lehnen diese Aussage ab. Die Kosten spielen vielmehr eine untergeordnete Rolle: Gemäss einer Mehrheit muss die Energiewende konsequenter und ungeachtet der Kosten vorangetrieben werden.
Neun von zehn Befragten wären auch bereit, selbst in die Energieproduktion zu investieren. Unbestritten für die Befragten ist, dass Energieeffizienz gefördert werden soll. Entsprechend besteht auch hier eine Zahlungsbereitschaft.
70 Prozent würden tausend Franken und mehr für den Ersatz alter Haushaltsgeräte mit hohem Strombedarf in die Hand nehmen. Ab einer Schwelle von zehntausend Franken sinkt jedoch die Bereitschaft unter die 50%-Schwelle, in eine PV-Anlage oder in die Gebäudesanierung zu investieren.
Eine klare Mehrheit (72 Prozent) ist zudem bereit, auf liebgewonnene Gewohnheiten zu verzichten, um durch die Senkung des eigenen Stromverbrauchs an die Versorgungssicherheit beizutragen.
Breiter Rückhalt für ein Stromabkommen
Laut der vorliegenden Umfrage würden 73 Prozent der Bevölkerung den Abschluss eines Stromabkommens mit der EU begrüssen. Die Zustimmung beträgt auch dann noch über 50 Prozent, wenn die Schweiz dafür Kompromisse eingehen müsste.
Dass die Zustimmung abnimmt, hängt mit der deutlichen Ablehnung der FDP- und SVP-Zugehörigen zusammen, sobald Kompromisse für ein Stromabkommen nötig wären. Alle anderen Parteisympathisierenden würden die Kompromisse in Kauf nehmen.
Einordnung des VSE: Erneuerbare endlich ausbauen
Dass sich die Turbulenzen des vergangenen Jahres im Energiebereich nicht in der Zustimmung für die eingeschlagene Stossrichtung niederschlägt, zeigt aus Sicht des VSE, wie gross der Rückhalt für den Ausbau aller erneuerbaren Energien in der Bevölkerung ist.
Dennoch deutet die Analyse von «gfs.bern» darauf hin, dass die Bevölkerung energiepolitischen Fragen neu mit etwas mehr Pragmatismus gegenübertritt als noch vor einem Jahr.
Dies führt VSE-Direktor Michael Frank darauf zurück, dass es trotz realen Risikos letzten Winter nicht zu einer Mangellage gekommen ist: «Hätte es einen Versorgungsengpass gegeben, würde die Bevölkerung mit Sicherheit stärker Druck auf die Politik ausüben und verlangen, dass in der Energiepolitik endlich die Handbremse gelöst wird.» Die Schmerzgrenze sei noch nicht erreicht.