Gutachten aus Österreich entfacht Kriegsmaterial-Debatte neu
Neutralitätsexperte Peter Hilpold attestiert der Schweiz Handlungsfreiheit bei Waffenlieferungen an die Ukraine und beflügelt die Befürworter im Parlament.
Das Wichtigste in Kürze
- Teile des Parlaments haben bei einem österreichischen Experten für Völkerrecht angeklopft.
- Peter Hilpold, Professor an der Universität Innsbruck, hat nun sein Gutachten geliefert.
- Trotz Neutralität könne die Schweiz die Wiederausfuhr von Waffen an die Ukraine erlauben.
Diese Woche wird unter der Bundeshaus-Kuppel erneut über die Wiederausfuhr von Kriegsmaterial in die Ukraine diskutiert. Am Donnerstag steht in der Ständerätlichen Sicherheitskommission SIK eine Änderung des Kriegsmaterialgesetzes auf dem Programm.
Bei einer Annahme dürften Schweizer Waffen unter gewissen Bedingungen auch an Länder weitergegeben werden, die in einen bewaffneten Konflikt verwickelt sind. Dies aber nur, wenn das Bestimmungsland von seinem Selbstverteidigungsrecht Gebrauch macht. Es darf ausserdem kein Risiko bestehen, dass sie gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt werden.
Neues Gutachten stützt Position der Ukraine-Koalition
Verschiedene Vorstösse in diese Richtung sind bereits gescheitert, weshalb die Befürworter von SP, Mitte, FDP und GLP Vorarbeit geleistet haben. Sie haben in Österreich ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben – das nun vorliegt und ihnen Auftrieb gibt.
Das Fazit von Völkerrechtsprofessor und Neutralitätsspezialist Peter Hilpold ist eindeutig: Das Neutralitätsrecht nach dem Haager Abkommen von 1907, auf das sich die Schweiz beruft, existiert in dieser Form wohl gar nicht mehr. Und wenn doch, dann könne die Beschränkung der Wiederausfuhr nicht auf dieses Abkommen zurückgeführt werden. Das bedeute Handlungsfreiheit für die Schweiz, berichtet «CH Media».
Hilpold argumentiert, das Haager Neutralitätsrecht sei heute nicht mehr kompatibel mit dem Sicherheitssystem der UNO. Der Neutralitätsbegriff sei ab 1945 mit der Gründung der UNO und dem Gewaltverbot in dessen Charta völlig in den Hintergrund getreten. Seine Vereinbarkeit mit dem UNO-Recht erscheine deshalb zweifelhaft.
Legitimieren Uniting-for-Peace-Resolutionen Waffenlieferungen?
Zentral für Hilpolds Argumentation sind die sogenannten Uniting-for-Peace-Resolutionen. Dieses Instrument steht der UN-Generalversammlung zur Verfügung, wenn ein ständiges Mitglied des Sicherheitsrates mit seinem Veto eine Entscheidung blockiert. Allerdings sind die Resolutionen der Generalversammlung, anders als Beschlüsse des Sicherheitsrats, unverbindlich und haben nur den Charakter von Empfehlungen. Da sie einer Zweidrittelmehrheit bedürfen, ist die Signalwirkung trotzdem gegeben.
Der Völkerrechtsprofessor schreibt in seinem Gutachten, in einem solchen Fall könne die Schweiz ohne neutralitätsrechtliche Bedenken dem Opfer Beistand leisten. Und erst recht bei einer Wiederausfuhr, da es sich nur um eine indirekte Hilfestellung handle.