Hat die Zauberformel nach den Wahlen endgültig ausgedient?
Die Grünen und Grünliberalen liebäugeln mit einem Sitz im Bundesrat. So oder so muss hinterfragt werden, ob die Sitzverteilung im Bundesrat noch Sinn macht.
Das Wichtigste in Kürze
- Stimmen die Prognosen, geht die Zauberformel für den Bundesrat je länger je weniger auf.
- Schuld ist die grössere Parteienvielfalt seit der Einführung 1959.
- Rund 30 Prozent der Wählenden wären nicht, FDP- und CVP-Wähler aber über-repräsentiert.
Kurz vor dem Wahltermin geben sich die Favoriten zurückhaltend. Sowohl Grüne wie Grünliberale wollen nicht über allfällige Ansprüche auf einen Bundesratssitz reden. Sogar die Wortwahl ist die gleiche: Sorry, aber man sei jetzt halt grad im Wahlkampf. Dies gab schon letzte Woche Anlass zu Spekulationen, ob Grüne und GLP gar gemeinsam einen Sitz im Bundesrat fordern würden.
Zauberformel im Clinch mit Parteienlandschaft
Wie dem auch sei: So oder so darf man hinterfragen, nach welchen Kriterien die sieben Sitze im Bundesrat verteilt werden. Die Zauberformel von 1959 besagt: Die vier grössten Parteien teilen sich die Regierungsverantwortung im Verhältnis 2:2:2:1. Das rechtfertigt sich aber nur dann, wenn diese vier Parteien auch die überwiegende Mehrheit der Wähler hinter sich haben.
FDP, SP, CVP (damals KCV) und SVP (damals BGB) vereinigten 1959 fast 85 Prozent der Stimmen auf sich. Heute sieht das anders aus: 2015 machten die Bundesratsparteien noch 76,2 Prozent der Stimmen. 2019 dürften es laut Prognosen noch knapp über 70 sein. 30 Prozent der Wählenden wären nicht im Bundesrat repräsentiert, die etwa 25 Prozent FDP- und CVP-Wähler erhielten aber 43 Regierungs-Prozente.
Blöcke innerhalb und ausserhalb der Regierung
Schon vor 30 Jahren waren die grossen Parteien in der Krise: 1991 schafften sie gemeinsam nicht einmal 70 Prozent. Damals waren «die Anderen» aber viel zersplitterter. Nebst den Grünen (6,2 Prozent) holten auch die Autopartei (5,1) und die Schweizer Demokraten (3,4) namhafte Anteile. 14 Klein- und Kleinstparteien hielten über 50 Sitze im Nationalrat.
Anders heute: Die BDP ist auf dem absteigenden Ast, Kleinstparteien spielen eine untergeordnete Rolle. Die beiden Öko-Parteien könnten zusammen aber auf 17 oder 18 Prozent kommen – so viel wie eine Zweisitzer-Bundesratspartei. Kommt dazu: Für viele Beobachter geht die Zauberformel bereits seit 2003 und dem zweiten Sitz der SVP nicht mehr auf. Die Bundesratssitze waren 1959 im Verhältnis 3:2:2 auf die Blöcke Rechts, Mitte und Links verteilt, heute aber mit 4:1:2.
Langfristig tragfähige Lösungen gesucht
Doch auch diese Zusammensetzung der Parteienlandschaft kann sich wieder ändern. Das wissen auch die Bundesparlamentarier und bremsen deshalb die Grünen und Grünliberalen. Die SVP habe schliesslich auch noch eine Runde auf ihren zweiten Sitz warten müssen. Die SP hatte schon vor 100 Jahren über 20 Wähler-Prozente, aber erst 1943 einen und ab 1959 zwei Bundesratssitze.
Aber ganz grundsätzlich ist die Politik gut beraten, vorzusorgen. Es wären auch andere Szenarien denkbar, die das System an Grenzen bringen könnten. Wenn zum Beispiel vier Parteien 70 Prozent abdecken, aber je zwei Parteien gleich stark sind.
Gesucht ist eine neue, optional ebenfalls magische Formel. Denn ein System mit Regierungs-Koalition und Opposition will hierzulande niemand. Zu gut ist die Schweiz in den vergangenen Jahrzehnten mit der unspektakulären, aber stabilen Kollegial-Regierung gefahren.