Immunität der Bundesbehörden
Die Mitglieder der obersten Bundesbehörden geniessen grundsätzlich einen Schutz vor Strafverfolgung. Doch es gibt Ausnahmen.
Die Mitglieder der obersten Bundesbehörden und damit auch die Mitglieder von National- und Ständerat sind durch ihre absolute und relative Immunität grundsätzlich vor Strafverfolgung geschützt. Dass die Immunität aufgehoben wird, kommt äusserst selten vor.
Zweck dieser Privilegien ist der Erhalt der Funktionsfähigkeit der Bundesbehörden. Unterschieden wird zwischen der absoluten und der relativen Immunität. Die Träger können nicht von sich aus auf sie verzichten.
Die Mitglieder der Bundesversammlung, des Bundesrats sowie die Bundeskanzlerin oder der Bundeskanzler geniessen für Äusserungen in den Räten und deren Organen eine absolute Immunität. Sie können für diese Äusserungen weder strafrechtlich noch zivilrechtlich noch disziplinarisch zur Verantwortung gezogen werden. Ratsinterne Disziplinarmassnahmen für Ratsmitglieder sind aber zulässig.
Absolute vs Relative Immunität
Für strafbare Handlungen mit unmittelbarem Zusammenhang mit der amtlichen Tätigkeit und Stellung geniessen Mitglieder eine relative Immunität. Diese schützt vor strafrechtlicher, jedoch nicht vor zivilrechtlicher Verfolgung.
Im Gegensatz zur absoluten Immunität kann die relative Immunität aufgehoben werden. Veranlassen muss das eine Strafverfolgungsbehörde mit einem Gesuch. Die Immunitätskommission des Nationalrats (IK-N) und die Rechtskommission des Ständerats (RK-S) beraten das Gesuch nacheinander.
Die Kommissionen treten unter anderem dann nicht auf Gesuche ein, wenn kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der amtlichen Stellung und der vorgeworfenen Tat besteht. In diesem Fall kann die Strafverfolgungsbehörde die Strafverfolgung aufnehmen.
Aufhebung der Immunität
Kommen die Kommissionen zum Schluss, dass die inkriminierende Tätigkeit im unmittelbaren Zusammenhang zur amtlichen Stellung und Tätigkeit steht, so überprüfen sie in einem zweiten Schritt, ob die Immunität aufzuheben ist.
Hierbei überprüfen sie als Erstes, ob ein Straftatbestand gegeben zu sein scheint. Ist dies nicht der Fall, heben sie die Immunität nicht auf.
Scheint jedoch ein Straftatbestand gegeben, so wägen sie zwischen dem öffentlichen Interesse an der ungehinderten Ausübung des parlamentarischen Mandats und dem öffentlichen Interesse an der Strafverfolgung ab. Überwiegt das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung, so heben die Kommissionen die Immunität auf.
Fälle von Aufhebung seit 2012
Seit 2012 und bis Montag entschieden die Parlamentskommissionen über insgesamt 15 Immunitätsaufhebungsgesuche abschliessend. Sie traten auf drei Gesuche nicht ein: 2012 beim damaligen Nationalrat Christoph Blocher (SVP/ZH), 2016 beim damaligen Nationalrat und heutigen SVP-Ständerat Pirmin Schwander (SZ) sowie 2022 bei SP-Nationalrat Fabian Molina (ZH) sahen sie keinen unmittelbaren Zusammenhang mit der amtlichen Stellung und Tätigkeit.
Auf die zwölf weiteren Gesuche traten die Kommissionen ein, und bei zehn beschlossen sie, die Immunität der Betroffenen nicht aufzuheben. In zwei Fällen hingegen wurde die Immunität aufgehoben. Betroffen waren alt Nationalrat Christian Miesch (SVP/BL) 2018 und der damalige Bundesanwalt Michael Lauber, im Jahr 2020.
Die Gesuche zu Nationalrat Andreas Glarner (SVP/AG) sowie SVP-Fraktionschef und Nationalrat Thomas Aeschi und Nationalrat Michael Graber (SVP/VS) sind noch hängig. Über Glarners Fall hat die Ständeratskommission noch zu entscheiden. Zu Aeschis und Grabers Fall vertagte die Nationalratskommission den Entscheid.