Initiativen scheitern: Darum politisieren Jungparteien trotzdem
Gleich mehrere Volksbegehren aus Jungparteien kassierten zuletzt ein deutliches Nein. Allerdings geht es oft um mehr als nur das Resultat.
![Umweltverantwortungsinitiative](https://c.nau.ch/i/Gv9w5V/900/umweltverantwortungsinitiative.jpg)
Das Wichtigste in Kürze
- Die Umweltverantwortungsinitiative scheiterte vor dem Schweizer Stimmvolk deutlich.
- Zuvor wurden bereits andere Anliegen von Jungparteien klar abgelehnt.
- Dennoch sind die Nachwuchsorganisationen wichtig, erklären die Parteipräsidien.
Die Umweltverantwortungsinitiative der Jungen Grünen hatte einen schweren Stand. Nur gut 30 Prozent der Stimmbevölkerung sprachen sich am Sonntag für das Begehren aus. Die Initiative wurde damit deutlich abgelehnt.
Es ist nicht das erste Anliegen einer Jungpartei, das an der Urne abgeschmettert wird. Zuvor scheiterten beispielsweise auch die Renteninitiative der Jungfreisinnigen und die 1:12-Initiative der Juso klar.
Junge-Grünen-Präsidentin ist trotzdem stolz
Bei all diesen Resultaten verliert man als Jungpartei schon etwas den Mut – könnte man zumindest meinen. Allerdings ist das nicht wirklich so, wie eine Nau.ch-Umfrage unter den Parteipräsidien zeigt.
Magdalena Erni, Co-Präsidentin der Jungen Grünen, sagte bereits am Abstimmungssonntag: «Was ich heute bin, ist stolz auf uns als Jungpartei.»
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Man habe es geschafft, genügend Unterschriften zu sammeln und eine Kampagne zu führen. Neue Anliegen bräuchten halt oft mehrere Anläufe, so die Präsidentin.
Frei nach dem Motto des Schweizer Tennisspielers Stanislas Wawrinka: Scheitere nochmals, scheitere besser. Und schliesslich gewann der Romand ja in seiner Karriere dann doch mehrere Grand-Slam-Titel.
Volksinitiativen haben es so oder so schwer
Magdalena Erni hob im Interview ebenfalls hervor: «Man muss sehen: Durchschnittlich ist nur jede zehnte Initiative erfolgreich.»
Auch Mirjam Hostetmann von der Juso, die mit der 1:12-Initiative 2013 gescheitert ist, betont zunächst: «Die wenigsten Initiativen werden angenommen, egal ob sie aus der Feder einer Jungpartei stammen oder nicht.»
Da ist man sich im linken und im bürgerlichen Lager sogar einig. Jonas Lüthy von den Jungfreisinnigen, deren Renteninitative 2024 ein Nein erhielt, betont: Von über 200 Initiativen in der Geschichte der Schweiz seien allgemein nur deren 26 angenommen worden. «Es ist äusserst selten, dass eine Initiative vor dem Volk eine Mehrheit findet», so Lüthy.
Nils Fiechter von der Jungen SVP betont ebenfalls, dass es bei Initiativen auf den Inhalt abkomme. Der Faktor Jungpartei sei kein Grund für eine Ablehnung.
Auf die Frage, was die Lancierung einer Initiative einer Jungpartei überhaupt bringt, sagt Fiechter: «Initiativen sollen sich nicht für Jungparteien lohnen, sondern für die Schweiz!» Man solle erst ein solches Begehren lancieren, wenn es tatsächlich einen Leidensdruck in der Bevölkerung gebe.
Jungparteien können «heisse Eisen» anpacken
Der Jungfreisinnige Lüthy betont, dass bei einer Volksinitiative oft andere Dinge als das Resultat im Fokus stehen. «Entscheidend ist, dass man eine breite Diskussion lostreten kann – das ist uns mit der Renteninitiative beispielsweise gelungen.»
Mit ihren Projekten würden die Jungfreisinnigen zudem «heisse Eisen» anpacken, vor denen sich die «älteren Semester» hüten.
Und auch Hostetmann von der Juso stellt klar: «Die Juso vermittelt Hoffnung und Visionen für eine gerechte Welt – den Mut dafür werden wir nie verlieren.» Mit Initiativen stosse man gesellschaftliche Debatten an. Das sei beispielsweise mit der 1:12-Initiative gelungen, mit der man auf «ungerecht hohe Managerlöhne» aufmerksam machen konnte.
Mitte-Rüdisüli: Junge Initiativen müssen nicht zwingend scheitern
Diesem Grundgedanken stimmt auch Marc Rüdisüli von der Jungen Mitte zu: «Jungparteien spielen eine wichtige Rolle in unserer direkten Demokratie, indem sie neue Ideen einbringen.» Allerdings wünsche das Volk pragmatische Lösungen. Radikale Initiativen von links und rechts hätten es da schwer.
Rüdisüli führt aus: «Gerade deshalb setzen wir als Junge Mitte auf tragfähige und zielgerichtete Forderungen, die echte Veränderungen bewirken. Und nicht auf radikale Utopien.» Als Beispiel nennt er die Junge-Mitte-Initiative für eine psychisch gesunde Jugend im Kanton Zürich.
![Renteninitiative](https://c.nau.ch/i/QOgRAJ/900/renteninitiative.jpg)
Denn als Jungpartei könne man es letztlich auch übertreiben, so Rüdisüli. «Wer zu radikale Forderungen stellt, riskiert ein krachendes Nein und blockiert damit die Chance auf eine pragmatische Lösung.»
Die Renteninitiative sei ein gutes Beispiel dafür. Diese war aus der Sicht von Rüdisüli eben nicht pragmatisch. Und wegen des krachenden Neins werde das Rentenalter vorerst nun nicht mehr angetastet – «obwohl eine Reform dringend notwendig wäre».
Stellt sich noch die Frage, ob denn die Jungen in der Schweiz genügend zu sagen haben. Themen wie der Klimawandel oder die Altersvorsorge betreffen ja schliesslich besonders die Jungen.
Bürgerliche: Junge nutzen ihre Rechte zu wenig
Rüdisüli, Präsident der Jungen Mitte, sagt zwar, dass die Jungen genügend Mitsprache haben. Allerdings müssen sie ihr Potenzial besser nutzen. «Jede Stimme zählt gleich viel, doch die tiefe Wahlbeteiligung der jungen Generation schwächt unseren Einfluss massiv.»
Ähnlich sieht es Jungfreisinnigen-Präsident Lüthy: «Das Problem ist nicht die fehlende politische Mitsprache junger Menschen. Sondern vielmehr, dass viele die Möglichkeiten der direkten Demokratie nicht nutzen.»
![Abstimmung](https://c.nau.ch/i/50Ngzr/900/abstimmung.jpg)
JSVP-Präsident Fiechter betont, dass die Jungen in der Schweiz zahlreiche Rechte haben. Sei es mit Initiativen, Referenden oder auch mit politischem Engagement in Jungparteien. «In keinem anderen Land der Welt haben die Jungen deshalb so viel Mitsprache wie bei uns in der Schweiz.»
Wichtig sei ganz allgemein, dass dieses Initiativrecht bestehen bleibt. Fiechter warnt deshalb vor einem neuen Vertrag mit der EU: «Wenn wir diese Unterwerfung nicht abwenden, werden Initiativen – auch von Jungparteien – künftig nicht mehr möglich sein.»
Hostetmann: «Kinder und Jugendliche werden ausgeschlossen»
Nicht so positiv wie ihre bürgerlichen Kollegen beurteilt Juso-Präsidentin Hostetmann die Mitsprache der Jungen. «Kinder und Jugendliche werden heute bei sämtlichen Entscheidungsprozessen ausgeschlossen», sagt sie. Themen, die die Jungen betreffen, stünden bei der bürgerlichen Mehrheit oft hinten an.
Entsprechend findet sie, dass Anliegen und Kompetenzen von jungen Menschen ernster genommen werden müssen. Die Zukunftsplanung müsse auf gemeinsamen Interessen statt auf denjenigen der Reichen und Privilegierten beruhen.
![Schule](https://c.nau.ch/i/XkXWmX/900/schule.jpg)
Eine mögliche Lösung könnte laut Hostetmann auch eine frühe und interaktive politische Bildung sein.
Hier gibt ihr Rüdisüli von der Jungen Mitte recht. «Die politische Bildung steckt in der Schweiz noch in den Kinderschuhen», moniert er. «Wenn wir hier ansetzen, können wir das Interesse an Politik nachhaltig fördern und die Mitsprache der jungen Generation stärken.»