Kantone schliessen Kitas trotz Anweisung des Bundesrats
«Kitas dürfen nicht geschlossen werden», sagt der Bund. «Das haben wir anders verstanden», sagen sieben Kantone und schliessen wegen dem Coronavirus trotzdem.
Das Wichtigste in Kürze
- Bei den Kitas interpretieren die Kantone die Regelung des Bundes unterschiedlich.
- Sieben Kantone halten Kitas nur für bestimmte Eltern frei, wie Spitalpersonal.
- Das BAG sagt aber: Eine Selektion nach Berufen ist nicht rechtens.
«Diese Entscheide gelten für alle Kantone», insistierte Bundesrat Alain Berset am Montag. In den Bereichen wo der Bund Vorgaben mache, gebe es keinen Spielraum mehr, so der Gesundheitsminister. Bezüglich der Kindertagesstätten, den Kitas, sei der Fall klar, heisst es beim BAG. Man verweist auf die Verordnung: «Kitas dürfen nur dann geschlossen werden, wenn andere geeignete Betreuungsangebote bestehen.»
Unterschiedliche Interpretationen von «offen»
Das heisst: Im Ausnahmefall – erkrankte Mitarbeiter, Corona-verseuchte Räume – kann eine Kita geschlossen werden. Es muss aber Ersatz her, wobei offengelassen wird, wie ein solcher aussehen soll. Mindestens sieben Kantone sehen dies aber anders und bieten nur noch ein minimales Angebot für Notfälle an. Basel-Stadt und alle französischsprachigen Kantone teilen den Eltern mit: Es hängt von eurem Beruf ab, ob euer Kind betreut wird.
So verordnet der Kanton Jura «die Schliessung der Betreuungsstrukturen für Kleinkinder». Die Krippen seien aber offen für Eltern mit Jobs im Gesundheits- und Sozialbereich. Ähnlich formulieren es auch die anderen sechs Kantone. Entweder heisst es «Kitas geschlossen, aber für einige trotzdem offen», oder «Kitas geöffnet, aber nur für bestimmte Personengruppen.»
Alle meinen, korrekt zu handeln
Irritierend dabei: Andere Kantone interpretieren die Covid-19-Verordnung des Bundesrats anders und halten die Kitas explizit geöffnet. So schreibt etwa der Kanton Zug, er teile die Argumentation des Bundes. «Es braucht ein Betreuungsangebot, um berufstätige Eltern in dieser schwierigen Situation nicht zusätzlich zu belasten.»
Mit der gleichen Ausgangslage gelangt der Kanton Basel-Stadt aber zu einer anderen Schlussfolgerung. «Die Regelung im Kanton Basel-Stadt entspricht der Regelung der Covid-19-Verordnung des Bundes», heisst es auch hier. Aber: «Alle Kindertagesstätten sind offen für gesunde Kinder von Eltern, die in Gesundheitsberufen arbeiten oder sonstige zwingende Arbeitsverpflichtungen haben und die Kinderbetreuung nicht anderweitig organisieren können.»
BAG widerspricht Kita-Schliessungen
Einen sehr differenzierten Ansatz hat der Kanton Basel-Landschaft gewählt, auch wenn ein Vorrang für Eltern in Gesundheitsberufen gilt. Der Entscheid, ob Kinder in die Kita geschickt werden, wird aber Eltern überlassen. Gemahnt wird allerdings, dass zusätzlicher Betreuungsbedarf von Eltern in Gesundheitsberufen abgedeckt werden muss. Diese könnten andere oder längere Einsatzzeiten haben.
Wer handelt denn nun richtig? Für den Bund sei der Fall klar, schreibt das BAG auf Anfrage von Nau.ch. «Kantone dürfen Kitas nicht einfach schliessen, und nur ein minimales Angebot aufrechterhalten für Eltern in spezifischen Berufen.» Ob der Bund das juristisch durchsetzen kann, ist eine andere Frage.
Unbeantwortet bleibt auch der Aspekt, wie es sein kann, dass die Kantone eine Anordnung des Bundes so verschieden interpretieren. Ein Erklärungsversuch wäre, dass die Schul-Regelungen einfach auf Kitas ausgedehnt wurden, die Zuständigkeit aber nicht bei den Bildungsdirektionen liegt. Zwar hat Nau.ch Kenntnis von Kitas im Kanton Zürich, die ebenfalls Einschränkungen machen, obwohl der Regierungsrat anderes beschlossen hat. Interessant ist trotzdem, dass – mit Ausnahme von Basel-Stadt – der Bundesrat dies- und jenseits des Röstigrabens komplett anders verstanden wird.