BAG & Co.: Sorge um Wirtschaft und Spitalbetten
Das Wichtigste in Kürze
- Mehrere Kantone verschärften ihre Corona-Regeln über das Wochenende erneut.
- Heute informieren Expertinnen und Experten des Bundes über die Lage.
- Morgen wird dann wohl der Bundesrat neue Massnahmen ergreifen.
15.05: «Wir sind schon bei fünf vor zwölf», sagt Thomas Steffen in Bezug auf die Betten-Situation. Denn: Der Ausbau wird voraussichtlich komplett weggefressen von den immer erst mit zwei Wochen Verzögerung ansteigenden Hospitalisierungen. Andreas Stettbacher betont, die Betten-Zahl sei gesamtschweizerisch betrachtet. Lokal könne es durchaus eintreffen, dass es in den nächsten Tagen zu Engpässen komme.
Lies: Zuwenig Betten, um alle Patienten zu pflegen. Steffen zeigt aber auch einen Ausweg aus dieser Situation auf. Primär werde man nicht entscheiden, ob ein Covid-Patient oder ein bei einem Unfall schwer verletzter ein Bett bekomme. Sondern zuerst einmal die Wahl-Eingriffe in den Spitälern zurückfahren und so mehr Betten frei machen.
14.56: Abgesehen von der Anzahl Betten ist ja aber auch das dazu nötige Personal relevant: «Die Reserven, die wir gemeldet erhalten, sind jeweils inklusive Personal», erläutert Andreas Stettbacher. Der Ausbau auf 1400 Betten könne aber nicht mit dem üblichen Personalbedarf in der üblichen Qualität gedeckt werden. Es gebe aber organisatorische Planungen für den Einsatz von anderweitig qualifizierten Pflegefachkräften.
Ein Faktor sei aber auch die Ermüdung des Personals, die bereits jetzt akut sei. Einzelne Kantone hätten bereits Massnahmen getroffen wie die Reduktion von Wahl-Eingriffen. Zudem rekrutiere man Personal durch Weiterbildung oder Aufbieten von bereits pensionierten Fachpersonen.
Fatalistisch ergänzt Martin Ackermann dazu: Alle diese Massnahmen rund um Intensivbetten seien allenfalls nötig. Aber sie seien nicht die Lösung. Die einzige Lösung sei die Verhinderung von weiteren Ansteckungen.
14.45: An welchem Punkt in der Welle befinden wir uns? Das BAG hat ein Strategiepapier veröffentlicht, das die Zusammenarbeit von Bund und Kantonen aufzeigt. Gemäss Martin Ackermann von der Taskforce lässt sich nicht genau sagen, an welchem Punkt wir derzeit sind. Aber: «Wir sind in einem Moment, wo wir entschieden und stark eingreifen müssen.»
Ackermann weist darauf hin, dass jetzt getroffene Massnahmen erst mit Verzögerung eine Wirkung entfalten. Insofern seien die Sorgen um freie Betten von Andreas Stettbacher sehr berechtigt.
Virginie Masserey vom BAG wird etwas expliziter: «Wir sind noch in Stufe zwei und versuchen zu verhindern, dass wir in Stufe drei gelangen.» Das heisst: Es besteht immer noch Hoffnung, dass die Kantone die Welle abflachen lassen können.
14.30: Thomas Steffen, Kantonsarzt Basel-Stadt, zeichnet ebenfalls ein düsteres Bild der Lage aber auch von Teilen der Gesellschaft. Positiv sieht er dagegen die Ausgangslage: Die Schweiz habe die Ressourcen, die zweite Welle zu meistern.
Es sei gelungen, aus den Learnings der ersten Welle einiges zu verbessern. Deshalb richte die zweite Welle vergleichsweise weniger Schaden an. Zum «Getriebeschaden» beim Contact Tracing sagt Steffen, man ändere hier die Taktik. Weil zunehmend gar nicht mehr alles verfolgt werden könne, fokussiere man gezielt auf einzelne, relevantere Fälle.
14.27: Jan-Egbert Sturm plädiert ebenfalls für mehr Massnahmen. Das immer wieder angeführte Beispiel von Schweden hält er nicht für tauglich, da die Anzahl Tote in der ersten Welle viel höher gewesen sei. Die Wirtschaft habe dieses Jahr Dutzende von Milliarden Franken verloren. Um weitere Verluste zu verhindern brauche es deshalb unbedingt eine Abflachung der Kurve, lies: Weniger Ansteckungen mit Coronavirus.
14.23: Martin Ackermann von der Taskforce warnt erneut eindringlich. Es klingt etwas ironisch, wenn er sagt: «Ich bin froh, dass diese Botschaft der Taskforce gehört wird.» Ackermann macht ein Beispiel: Um 200 Betten aufzustocken, bringe nur für wenige Stunden etwas, dann seien auch diese Betten belegt. Anhand von Bewegungsdaten sehe die Taskforce, dass die Bevölkerung sich noch nicht wie im März verhalte. Es gebe noch viel zu viel Mobilität.
14.15: Stéphane Rossini und Boris Zürcher rekapitulieren die Situation im Arbeits- beziehungswiese Sozialversicherungsbereich. Insbesondere die Härtefallregel gibt Anlass zu Fragen. Zürcher betont, dass das Parlament im Covid-Gesetzt Hilfe für betroffene Betriebe beschlossen hat. Die konkrete Umsetzung werde noch erarbeitet.
Zum Beispiel brauche es Kriterien für Härtefälle, Auszahlungsmodalitäten und so weiter und das brauche Zeit. Damit spielt Zürcher auf die Kritik an, dass das entsprechende Gesetz erst per Februar in Kraft tritt.
14.10: Andreas Stettbacher, Delegierter des Bundesrates für den Koordinierten Sanitätsdienst (KSD), stellt den ernst der Lage klar. Er zählt auf, wie viele Betten für Akut-, Intermediate-Care- und Intensiv-Patienten noch verfügbar sind. Die Zahlen schwanken zwischen 25 und über 30 Prozent. Entscheidend ist hier der Wachstumsfaktor.
Im Intensiv-Bereich liegt dieser beim 1,6-fachen pro Woche. «Wenn die Entwicklung so weitergehen würde und keine Massnahmen getroffen werden, würden die Akutbetten für 14, Intermediate Care 12 und Intensivbetten für 10 Tage reichen.» Letzteres allerdings nur unter der Annahme, dass tatsächlich die Zahl der Intensivbetten auf 1200 ausgebaut wird. Das sei noch in Planung und beantragt.
14.02: Virginie Masserey vom BAG ruft die Regeln in Erinnerung: Auch während dem Abwarten des Testergebnisses muss man in Selbstisolation. Die zweite Welle sei im Gang, mit einem exponentiellen Anstieg der Fälle. «Die Entwicklung ist vergleichbar mit derjenigen von Mitte März». Masserey bezieht sich dabei insbesondere auf die Zahlen bei den Hospitalisationen und Todesfällen.
Die Ausgangslage
Über das Wochenende verschärften mehrere Kantone ihre Corona-Massnahmen erneut. Vielerorts gilt jetzt eine Sperrstunde, die Maskenpflicht wurde teils ausgeweitet, Bars und Clubs mussten schliessen. Zudem sind Versammlungen im privaten Rahmen – je nach Kanton – auf zehn bis fünfzehn Personen begrenzt.
Nun informieren behördliche Expertinnen und Experten über die Lage. Die Massnahmen werden über so kurze Zeit wohl nicht viel bewirkt haben. Gemäss Einschätzungen der Task Force und des BAG zeigen die Verschärfungen erst nach rund zwei Wochen ihre Wirkung.
Morgen Mittwoch werden vom Bundesrat neue Massnahmen erwartet. Wirken diese in den nächsten Wochen nicht, droht den Spitälern der Kollaps. Ein Lockdown wie im Frühling wird nach wie vor nicht erwartet, die wirtschaftlichen Schäden werden als zu schwer eingestuft.
Folgende Teilnehmende sind an der Pressekonferenz:
– Virginie Masserey, Leiterin Sektion Infektionskontrolle, BAG
– Andreas Stettbacher, Delegierter des Bundesrates für den Koordinierten Sanitätsdienst (KSD)
– Stéphane Rossini, Direktor, Bundesamt für Sozialversicherungen BSV
– Boris Zürcher, Leiter der Direktion für Arbeit, SECO
– Thomas Steffen, Kantonsarzt Basel-Stadt, Vorstandsmitglied der Vereinigung der Kantonsärztinnen und Kantonsärzte
– Martin Ackermann, Präsident National COVID-19 Science Task Force
– Jan-Egbert Sturm, Leiter Expertengruppe Wirtschaft, National COVID-19 Science Task Force