Bundesrat beschliesst «besondere Lage» wegen Coronavirus
Der Bundesrat hat beschlossen, für die Schweiz die «besondere Lage» wegen dem Coronavirus zu erklären. Grosse Veranstaltungen werden per sofort verboten.
Das Wichtigste in Kürze
- In der Schweiz gilt ab sofort die «besondere Lage» wegen dem Coronavirus.
- Dies hat der Bundesrat beschlossen.
- Damit erhät der Bundesrat weitreichende Kompetenzen, um Massnahmen anzuordnen.
- Grossveranstaltungen werden bis mindestens 15. März verboten.
An einer ausserordentlichen Sitzung hat der Bundesrat heute beschlossen, dass wegen dem Coronavirus ab sofort für die ganze Schweiz die «besondere Lage» gilt. Diese ist im Epidemiengesetz definiert. Ab sofort bis mindestens am 15. März sind damit Grossveranstaltungen mit mehr als 1000 Personen verboten. Gesundheitsminister Alain Berset, das BAG und die Kantone informieren um 10.15 live aus Bern.
Bund übernimmt Kontrolle
Die Einstufung als «besondere Lage» ermöglicht dem Bundesrat, selber Massnahmen anzuordnen, die normalerweise in der Zuständigkeit der Kantone liegen. Der Bundesrat sei sich bewusst, dass diese Massnahme weitreichende Auswirkungen für die Bevölkerung der Schweiz habe.
Er verspricht sich davon aber einen wirksamen Schutz für die Menschen im Land und für die öffentliche Gesundheit. Durch die Massnahme solle die Verbreitung des Coronavirus in der Schweiz eingedämmt werden.
Impfung kann obligatorisch erklärt werden
Abgesehen vom Verbot der Grossveranstaltungen kann der Bundesrat weitere Massnahmen anordnen. In einer besonderen Lage kann der Bundesrat folgende Massnahmen anordnen. Dazu zählen zum Beispiel flächendeckende Quarantäne für alle Kontaktpersonen oder eine obligatorische Impfung.
Der Bundesrat kann auch Schulen oder private Unternehmen vorübergehend schliessen. Ärzte sowie weitere Gesundheitsfachpersonen kann der Bundesrat verpflichten, bei der Bekämpfung des Coronavirus mitzuwirken.
15 Personen mit Coronavirus – mehr könnten folgen
Bundesrat Berset erklärt: «Wir haben in den vergangenen Tagen gesehen, dass auch in den Nachbarländern die Fallzahlen stark angestiegen sind.» Man sei im engen Kontakt namentlich mit den italienischen und deutschen Behörden. Priorität habe die Gesundheit der Bevölkerung, weshalb es jetzt angezeigt sei, die «besondere Lage» zu erklären.
Aktuell gebe es 15 bestätigte Fälle mit Coronavirus in der Schweiz. «Wir müssen davon ausgehen, dass es zu weiteren Erkrankungen kommt.» Die Massnahmen seien bis am 15. März in Kraft. Aber: «Sie können jederzeit geändert oder verlängert werden», betont Berset.
Keine Einzelmassnahme
Das Verbot der Grossveranstaltungen sei keine isolierte Massnahme, sondern gliedere sich ein in die gesamte Strategie des Bundes. Es gehe insbesondere um den Schutz von speziell gefährdeten Personen. Mit dem Veranstaltungsverbot gehe es darum, eine gewisse soziale Distanz unter den Menschen zu schaffen.
Um 13:30 Uhr entscheiden @IsabelleMoret und #HansStöckli ob die Frühjahrssession stattfindet oder nicht. Wir warten ab, ob die Session mit Ihre 246 National- und Ständeräten, Beamten, Journalisten, Lobbyisten etc. als Veranstaltung mit 1'000+ Personen eingestuft wird oder nicht.
— Thomas Aeschi (@thomas_aeschi) February 28, 2020
Bürogebäude oder ähnliches, wo ebenfalls mehr als 1000 Personen anwesend sein könnten, seien nicht tangiert, betont Berset. «Dort können sich die Menschen frei bewegen und auch entsprechende Hygienemassnahmen vornehmen.»
Kantone unterstützen Bundesratsentscheid
Im Namen der Kantone spricht die St. Galler Regierungsrätin Heidi Hanselmann, Präsidentin der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK). Natürlich gebe es Kompetenzverschiebungen von den Kantonen weg zum Bund.
Die Kantone unterstützten aber den Entscheid des Bundesrats, der in enger Absprache mit den Kantonen erfolgt sei. «Wir brauchen eine Linie in der Schweiz, um wirksam die Ausbreitung des Coronavirus bekämpfen zu können.» Es mache keinen Sinn, wenn der eine Kanton Veranstaltungen verbiete und ein anderer aber nicht. Die ständig ändernde Lage sei eine grosse Herausforderung für alle Beteiligten.
«Besondere Lage» ist Novum für die Schweiz
«Das ist das erste Mal, dass dieser Gesetzesartikel in dieser Weise angewendet wird», bestätigt Alain Berset. Das werde sicher Diskussionen geben, aber das Gesetz sei schliesslich sogar vom Stimmvolk abgesegnet worden, weil es ein Referendum gab.
Empfehlung ist ja gut, dumm nur wenn Hände-Desinfektionsmittel überall ausverkauft ist. Da hätte das Bundesamt für Gesundheit etwas vorausdenken sollen, statt immer nur zu sagen es brauche keine Massnahmen. https://t.co/D2bi1Kd35P
— Bastien Girod (@bastiengirod) February 27, 2020
Daniel Koch vom Bundesamt für Gesundheit reagiert auf die Frage, ob es denn jetzt eine Infektion innerhalb der Schweiz gegeben habe. Das sei nicht der Fall, so Koch. Berset fügt an, dass es zudem auch keinen Fall gegeben habe, wo man die Ansteckungskette nicht nachvollziehen konnte.
Ansammlungen in Städten, auf Skipisten…
Auch andere Ansammlungen von vielen Leuten sind vom Verbot nicht betroffen, stellt Berset klar. «In einem Skigebiet können Sie sehr viele Personen haben, das ist richtig.» Aber dort sei man nicht eng gedrängt. Sonst müsse man ja auch zum Beispiel Innenstädte als Versammlungsort anschauen.
Eine Sicherheit, dass man jetzt die Entwicklung des Coronavirus bremsen könne, gebe es so zwar nicht. Aber ein Hinauszögern hält Berset für realistisch. Er erinnert daran, dass auch schon die Massnahmen in China dem Rest der Welt einen zeitlichen Vorsprung verschafft habe.
«Es gibt Eskalationsmöglichkeiten»
Bundesrat Berset erläutert, was die weiteren Schritte sein könnten. Nach der «besonderen Lage» wäre dies die «ausserordentliche Lage». «Wir müssen immer das Verhältnismässige tun, aber es muss auch wirksam sein. Wir könnten in der Tag Städte abriegeln, aber dazu besteht jetzt kein Anlass,»
Man müsse sehr flexibel sein und immer die richtige Massnahme zum richtigen Zeitpunkt treffen. Daniel Koch ergänzt, dass die Massnahmen immer auch zielführend sein müssen. Gebiete abzusperren könne auch kontraproduktiv sein. «Wenn Sie schauen, wie viele Leute pendeln, auch Gesundheitspersonal, da würden nachher die Mitarbeiter in den Spitälern fehlen.»
«Habe mich nicht testen lassen»
Die Verhältnismässigkeit gelte es auch beim Testen von Verdachtsfällen zu wahren, betont Daniel Koch. Ja, die Zahl der Tests habe sich noch einmal verdoppelt. Aber Symptome allein seien kein Grund für einen Test auf Coronavirus. Es brauche immer auch einen Hinweis auf eine mögliche Ansteckungskette.
Sofort kommt die Frage auf, was den mit dem Gesundheitsminister selbst sei. Schliesslich hat Alain Berset seinen Amtskollegen in Rom besucht. «Ich habe keine Symptome», erklärt Berset. Aber man habe natürlich diesen Punkt genau angeschaut. «Ich glaube, es geht gut, danke.»