Longchamp: Begrenzungsinitiative als Ende der Bilateralen?
Claude Longchamp zu den Konsequenzen der Begrenzungsinitiative für die Bilateralen und wie es unmittelbar danach mit dem Rahmenabkommen mit der EU weitergeht.
Das Wichtigste in Kürze
- Was passiert am 17. Mai mit der Begrenzungsinitiative und wie geht es nachher weiter?
- Für Politologe Claude Longchamp ist klar: Ein Ja wäre das Ende der Bilateralen.
- So oder so warte am Tag danach die nächste EU-Baustelle: das Rahmenabkommen.
Fallen alle Bilateralen Verträge weg, wenn das Stimmvolk Mitte Mai Ja sagt zur Begrenzungsinitiative der SVP? Nach der Schonfrist von einem Jahr sei die Lage wohl klar, sagt Politologe Claude Longchamp: «Ich gehe davon aus, dass die EU das als Nein zur Zusammenarbeit lesen wird.»
Als Nein zu den Bilateralen und ein Ausschluss von Verhandlungen bezüglich der Personenfreizügigkeit. «Das war in den letzten Jahren konsequent die Linie der EU.» Und nicht, wie es sich die SVP erhoffe, neue Verhandlungen.
«To be or not to be» für die Bilateralen
Seitens der EU sieht Longchamp keinerlei Möglichkeit, die Bilateralen zu retten. «Die Schweiz wird wohl versuchen, das Schlimmste zu verhindern. Aber man muss sich im Klaren sein: Das ist ‹To be or not to be› für die Bilateralen.»
So gesehen sei die Umbenennung der Begrenzungsinitiative durch die Economiesuisse korrekt. «Die Gegner sagen klipp und klar, das ist eine Kündigungsinitiative. Weil sie nach einem Jahr genau dies verlangt und zur Konsequenz haben wird.»
Ratloser Bundesrat bei Ja zur Begrenzungsinitiative
Was, wenn es so weit kommt?: «Dann sehe ich einen ziemlich ratlosen Bundesrat.» Bei einem Ja sei der Spielraum nämlich minim, sogar kleiner als noch vor 2014, nach dem Ja zur Masseneinwanderungsinitiative. «Der Bundesrat richtet die ganze Kampagne darauf aus, dass es ein Nein gibt. Weil er bereits die nächste ‹Stunde Null› in Europafragen erwartet.»
Diese komme schon kurz nach der Abstimmung über die Begrenzungsinitiative. Die EU rechne damit, dass das Rahmenabkommen dann innert zwei Wochen im Bundesrat ratifiziert werde. «Aus EU-Sicht hat man jetzt lange genug gewartet.»
Nächste Baustelle Rahmenabkommen
Danach werde der parlamentarische Prozess entscheidend sein. Longchamp ist allerdings skeptisch, dass das Rahmenabkommen dort durchkommt, weil nur die GLP und die FDP dafür seien.
Bei einem Nein zur Begrenzungsinitiative wisse der Bundesrat: «Da kommt noch ein schwerer Brocken auf uns zu.» Denn beim Rahmenabkommen gehe es schliesslich darum, aus all den Bilateralen Verträgen ein einziges Dach zu zimmern.
Viel Skepsis bei zentralen Punkten
«Jetzt braucht es eine Deblockierung. Das ist sicher einfacher bei einem Nein zur Begrenzungsinitiative, aber fast unmöglich bei einem Ja.»
Doch was müsste passieren, dass die SVP den Coup von 2014 wiederholen kann? Obwohl beim Rahmenabkommen noch einiges im Argen liegt, geht Longchamp nicht von einem Überraschungs-Ja bei der Begrenzungsinitiative aus.
Zwar seien die Vorboten ähnlich wie damals bei der Masseneinwanderungsinitiative. «Im Parlament habe die Initiativen bis auf zwei Stimmen Unterschied genau das gleiche Ergebnis gemacht.» Damit habe es sich dann aber auch schon mit den Analogien.
Der Kampagnenverlauf sei aber genau umgekehrt, der Problemdruck kleiner als 2014 und die Initiative zwar gut formuliert, aber «recht radikal». Nötig wären auch bei Bürgerlichen oder gar Linken abweichende Kantonalparteien. Und das Grundvertrauen in die Politik sei allenfalls durch Cryptoleaks angekratzt, aber das reiche noch nicht.
Faktisch seien Gewerkschaften, Gewerbeverband und Arbeitgeber aus einem zentralen Grund skeptisch: dem Schutz des hohen Lohnniveaus. Genau diesen Schutz aber wolle die EU aufheben, weil er der Personenfreizügigkeit widerspreche.