Briten brauchen EU-Nachhilfe – von der Schweiz!
Beim Parlamentarier-Skirennen in Davos wollten die britischen Politiker auf dem Skilift vor allem über eins reden: Wie verhandelt man eigentlich mit dieser EU?
Das Wichtigste in Kürze
- Grossbritannien sucht nach dem Brexit Tipps für EU-Verhandlungen bei der Schweiz.
- Informell geschieht dies während der traditionellen Parlamentarier-Skiwoche in Davos.
- Die Briten müssen via Skiliftdiplomatie wieder ganz von vorne beginnen.
Alle Jahre wieder: In Davos treffen sich Schweizer und britische Parlamentarier zur Ski-Woche. Ein parteiübergreifender Traditionsanlass mit Sport, Spass und «Skiliftdiplomatie». Denn wo liessen sich besser unangenehme Themen ansprechen als zu zweit, mit Brettern an den Füssen, minutenlang an Stahlseilen hängend?
Insbesondere dann, wenn die Unterhaltung – zum Beispiel – zwischen einem Schweizer Gewerkschafter und einem konservativen Brexit-Befürworter stattfindet. Und die Unannehmlichkeit dadurch gesteigert wird, dass der Ex-EU-Politiker gestehen muss: Er hat keine Ahnung von dieser EU.
«Grossbritannien beginnt von vorne»
Der Brexit und dessen Nachwehen seien das prägende Thema bei den Skilift-Gesprächen gewesen, berichtet Adrian Wüthrich, Präsident von Travail.Suisse. Als ehemaliger Nationalrat und letztjähriger Sieger durfte er trotz Abwahl letzten Herbst wieder mittun beim «Parliamentary Ski Race». Und, ups, schon wieder gewinnen.
Die Briten seien sehr wissensbegierig, denn die Schweiz habe ja bereits diverse Abkommen mit der EU und mit anderen Ländern. «Grossbritannien beginnt jetzt von vorne, weil vorher alles via EU geregelt war.»
Wie schliesst man ein Handelsabkommen, wie verhandelt man mit der EU? Das Vereinigte Königreich, einst das weltumspannende Imperium, in dem die Sonne nie unterging, braucht Weltläufigkeits-Nachhilfe. Um Rat anklopfen tun die Lords und Commoners bei der Schweiz, die nie Kolonien besass.
Brexit und Bilaterale nicht vergleichbar
So oder so sei die Ausgangslage der Briten nicht vergleichbar mit der Schweiz. «Die Briten haben eine Scheidung hinter sich, wir dagegen versuchen in einer Partnerschaft zusammenleben.»
Er habe den britischen Kollegen aufgezeigt, dass die Schweiz nebst der Personenfreizügigkeit halt auch die flankierenden Massnahmen eingeführt habe. So sei nicht nur der Arbeitsmarkt geöffnet, sondern auch die Löhne geschützt worden. «So dass am Schluss alle profitieren, nicht nur die Aktionäre und die Unternehmen.»
Sozialdemokratische Worte, die wohl bei den Brexiteers aus den Reihen der konservativen Tories nicht gerade gerne gehört wurden? Wüthrich bleibt skilift-diplomatisch: «Sie haben mit Interesse zugehört und suchen nun selbst einen Weg.» Aber: «Grossbritannien hat keinerlei Verträge, keine Bilateralen wie die Schweiz. Wir können auf einer Basis zusammenarbeiten, die Grossbritannien zuerst noch suchen muss.»
Grosses Interesse aus UK an der Begrenzungsinitiative
Einerseits seien die Briten froh, dass der Brexit-Entscheid Tatsache sei und man vorwärts blicken könne, erzählt Wüthrich von seinen Skilift-Gesprächen. «Was sie sehr interessiert hat, ist der Entscheid in der Schweiz vom 17. Mai über die Begrenzungsinitiative.» Bei einem Ja würde die Personenfreizügigkeit mit der EU wegfallen und sei darum ein grosses Thema bei den Briten gewesen.
Eine Errungenschaft, die Wüthrich als Gewerkschafter nicht leichtfertig aufgeben will. Seine Message darum an die Neo-Singles von der Insel: «Es wird noch einige Diskussionen brauchen, bis auch Grossbritannien so weit ist. Sie werden noch schwierige Verhandlungen haben mit der Europäischen Union, wie wir ja auch.»
Bis zum nächsten Jahr und der nächsten Runde Skilift-Diplomatie an der British-Swiss Parliamentary Ski Week. Er schätze diesen Austausch jedenfalls sehr, betont Wüthrich. Und auch das Skifahren.
«Diese Zusammensetzung – die gefällt mir sehr». Verständlicherweise, wenn man sowohl bei EU-Verhandlungen wie beim Slalom der rund zehn Mal grösseren Nation eine Nasenlänge voraus ist.