Longchamp: So stehen Chancen der Bundesratskandidaten vor Hearings
Martin Pfister und Markus Ritter müssen zu den Hearings der Parteien antraben. Politologe Claude Longchamp sieht je nach Kandidat unterschiedliche Präferenzen.
00:00 / 00:00
Das Wichtigste in Kürze
- Bei den Bundesratskandidaten Markus Ritter und Martin Pfister stehen die Hearings an.
- Je nach Partei rechnet Politologe Claude Longchamp mit unterschiedlichen Vorlieben.
- Verfängt Pfister bei den Linken als «Nicht-Ritter»? Das könnte entscheidend sein.
Übermorgen Dienstag präsentieren sich die beiden Mitte-Bundesratskandidaten bei den Parteien: Hearings bei SVP, FDP und Grünliberalen. Eine Woche später dann noch der Härtetest bei SP und Grünen, einen Tag vor den Bundesratswahlen vom 12. März.

Rein optisch unterscheiden sich Markus Ritter und Martin Pfister allenfalls in Nuancen. Gilt das auch für das politische Kandidatenprofil oder wird dem Parlament hier keine echte Auswahl präsentiert? Die Chancen der beiden auf eine Wahl zum Bundesrat schätzt der Politologe Claude Longchamp doch sehr unterschiedlich ein.
Markus Ritter zunächst mit der Nase vorn
Nach der ersten, chaotischen Kandidatensuch-Phase sei in einer zweiten Phase Markus Ritter der Favorit gewesen: «Er ist in Bern besser eingeführt, das ist das wichtigste Argument für viele, die in diesem Parlament wählen.» Doch dann sei Kritik an Ritter hochgekommen, aus ganz verschiedenen Gründen, so Longchamp.
00:00 / 00:00
So entstand der Eindruck: «Vielleicht ist ja der unbekannte Herr Pfister, der erfahrene Regierungsrat, eine gute Alternative. Der könnte vielleicht Ruhe in die ganze Situation bringen.» Vor allem aber biete Pfister weniger Angriffsfläche, als dies bei Ritter der Fall sei.
00:00 / 00:00
So wurde Pfister sozusagen zum «Co-Favorit». Wer nun im Rennen vorne liege, darauf will sich Claude Longchamp nicht behaften lassen: «Beide haben Chancen, aber beide haben auch Defizite!»
Ist Markus Ritters Stärke auch seine Schwäche?
Markus Ritter sei ein absolut kompetenter, strategisch handelnder, erfolgreicher Präsident des Bauernverbands, betont Longchamp. Damit seien seine Führungsfähigkeiten ausgewiesen. Erfolge für die Bauern in den Wahlen oder beim Sparpaket wären da zu nennen.
Aber: «Vielleicht ist tatsächlich seine Stärke auch seine Schwäche.» Denn sie provoziere Gegenkräfte: «Der ist zu mächtig, der war zu klientelistisch auf seine Wählerbasis ausgerichtet, dem fehlt das Profil eines Staatsmanns.»

Diverse Kritikpunkte seien angeführt worden: Ein weiterer Sankt Galler – neben Keller-Sutter – gehe nicht, ein weiterer Bauernvertreter wäre einer zu viel. «Jemand, der derart knallhart politisiert, passt eigentlich gar nicht ins System der konsensfähigen, kooperationswilligen Politiker.» Denn ein solcher sei Ritter nicht.
Je nach Partei unterschiedliche Kandidaten-Vorlieben
Longchamps Einschätzung: «Bei der SVP wird Ritter gewinnen, bei der Mitte wird’s gespalten sein. Die FDP wird wahrscheinlich Herrn Ritter nicht zustimmen, aus lauter Angst, dass er die klassische Karriere eines VBS-Chefs machen könnte: Nach zwei-drei Jahren möglichst wieder wechseln.»
Wenn Ritter dann ins Volkswirtschaftsdepartement käme, wäre dies aus Sicht der FDP völlig falsch. Sie wolle keinen, der für seine Klientel eine protektionistische Politik mache.
Bei den Linken werde Ritter nicht all zu viele Stimmen machen. «Man ist mit seiner Landwirtschafts- und Umweltpolitik absolut nicht einverstanden.»
Pfister ist mehr als nur der Nicht-Ritter
Böse Zungen behaupten ja, die grösste Stärke von Martin Pfister sei, nicht Ritter zu heissen. Das werde ihm sicher nicht gerecht, führt Politologe Longchamp aus. «Er ist ein ausgewiesener Regierungsrat, immerhin fast zehn Jahre in einer Regierung und mehrfach wiedergewählt.»
Im seinem Dossier als Gesundheitsdirektor kenne er sich aus. «Das zeichnet ihn nicht unbedingt fürs VBS aus», so Longchamp, aber Pfister sei ja auch noch Oberst. Nebst der wissenschaftlichen – Pfister ist Historiker – und der politischen habe er also auch eine militärische Karriere vorzuweisen.

Aber man wisse tatsächlich nicht so genau, wo er stehe, und das nicht nur in den verschiedenen Dossiers: «Man weiss auch nicht ganz genau, wo er bei dieser VBS-Krise steht. Er hat sich sehr gewunden, dazu eine Aussage zu machen, ganz anders als Herr Ritter.»
Longchamps Analyse: «Er wird wohl etwas in der Falle des typischen Mitte-Politikers sein. Ein wenig von allem und nichts ganz richtig.»
Mit dem Effekt, dass er in seiner eigenen Partei etwa die Hälfte und bei der FDP die Mehrheit der Stimmen mache. Bei der SVP dürften sehr wenige Stimmen für Pfister zusammenkommen.
Verhalten der Linken als entscheidender Faktor
«Dann kommt es drauf an, ob die Linken sagen: Wir stimmen Anti-Ritter und Pro-Pfister, oder ob sie sich der Stimme enthalten oder sonst jemanden aus dem Hut zaubern.» Das werde entscheidend sein, ob Pfister überhaupt eine Chance habe, vor Ritter zu liegen.

Apropos aus dem Hut gezauberte Sprengkandidaten: «Die Konkordanz spielt wohl schon noch», hält Longchamp fest. Aber: «Das Monopol der Fraktionen auf die Nominierung der wählbaren Bundesratskandidaten ist stark infrage gestellt.»
Immer wieder Störmanöver gegen Konkordanz-Demokratie
Zunächst habe man der SP Vorwürfe gemacht, sie bringe zu extreme Kandidaten, die nicht pragmatisch und konsensfähig seien. «Dann hat man der SVP Beschneidung der Wahlfreiheit des Parlaments vorgeworfen, weil sie nur jeweils eine Person aufstellen wollten.» Dann der Vorwurf an die FDP, sie habe unfähige Kandidaten präsentiert. Und zuletzt mache man der Mitte-Partei den Vorwurf, dass sie aus lauter Verlegenheit nicht die Fähigen gebracht habe.
«Das schreit ja nach Spielchen», resümiert Politologe Claude Longchamp. «Das schreit auch nach Überraschungskandidaten.» Deren Chancen seien nicht sehr gross. Obschon «der andere Pfister», Parteipräsident Gerhard Pfister, wohl der geeignetere Kandidat gewesen wäre.

«Er wurde von der eigenen Partei aus dem Rennen genommen, jetzt ist er im Literaturclub von SRF.» Bücher besprechen statt mitregieren – damit sei Gerhard Pfister auch ausgeschieden.
Mangels Alternativen und angesichts der kritischen geopolitischen und sicherheitspolitischen Lage werde einer der beiden offiziellen Kandidaten gewählt werden. «Man akzeptiert das Verfahren einmal mehr», so Longchamp, «mit etwas Bauchweh.»