Martin Bäumle (GLP) drängt auf Verhandlungen mit Putin

Christof Vuille
Christof Vuille

Bern,

Die Stimmen in der Schweiz mehren sich, welche für Verhandlungen mit Wladimir Putin plädieren. GLP-Nationalrat Martin Bäumle erklärt im Interview, warum.

Martin Bäumle Ukraine
GLP-Nationalrat Martin Bäumle präsidiert die parlamentarische Gruppe Schweiz-Ukraine und ist selbst mit einer Ukrainerin verheiratet. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Magdalena Martullo-Blocher fordert den Westen auf, mit Russland zu verhandeln.
  • Ukraine-Kenner Martin Bäumle sieht es ähnlich – Selenskyj müsse Kompromisse machen.
  • Die Schweiz soll derweil alles daran setzen, einen Draht nach Russland aufzubauen.

Seit vier Monaten tobt der russische Angriffskrieg in der Ukraine. Ein Ende ist nicht in Sicht. Allenthalben werden Stimmen lauter, welche für Verhandlungen mit dem Aggressor votieren.

Martin Bäumle, GLP-Nationalrat und Präsident der Parlamentarischen Gruppe Schweiz-Ukraine sagt, die Ukraine müsse offen sein, über die Abgabe von Gebieten zu diskutieren.

Nau.ch: Herr Bäumle, Magdalena Martullo-Blocher sagt, der Westen müsse mit Putin einen Frieden aushandeln. Sie pflichteten ihr in den sozialen Medien bei und ernteten einen Shitstorm. Was führt Sie zu dieser Position?

Martin Bäumle Tweet Ukraine
Martin Bäumle kritisierte FDP-Ständerat Andrea Caroni, weil dieser wiederum SVP-Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher kritisiert hatte. - zvg/twitter

Martin Bäumle: Ich bin schon seit Beginn der Ansicht, dass der einzige Ausweg aus diesem Krieg Verhandlungen sind. Beide Seiten müssen an einen Tisch sitzen und nicht nur bei Vorauserfüllung von Maximalforderungen, aber eine Waffenruhe wäre wichtig, auch um die Bombardierungen der Städte zu stoppen.

Das heisst: Die Ukraine sollte verhandeln, auch wenn sich Putin noch nicht zurückzieht. Es gab immer wieder Signale für Gespräche, doch im Moment scheint alles festgefahren.

Nau.ch: Für Verhandlungen ist doch jegliches Vertrauen zerstört, Putin wird sich nicht an Abmachungen halten.

Martin Bäumle: Ja. Putin hat mit seinem Angriffskrieg das Vertrauen zerstört. Aber er hat sich acht Jahre an die Minsker Abkommen gehalten. Auch der Westen hat Fehler gemacht, etwa mit den Diskussionen über einen möglichen Nato-Beitritt der Ukraine. Es bestehen also Chancen, dass auch Putin bereit ist für Verhandlungen, deshalb muss man es versuchen.

Falsch sind Vergleiche, dass Putin wie Hitler sei. Damit verharmlost man letztlich Hitlers Naziregime. Putin kalkuliert eiskalt und er hat Atomwaffen, aber Russland hat eine andere Geschichte und diese muss man ins Ganze einbeziehen.

Nau.ch: Wie könnte eine konkrete Friedenslösung aussehen? Muss die Ukraine tatsächlich Gebiete im Donbass abtreten? Das würde Putin doch für seinen Krieg belohnen.

Soll der Westen mit Wladimir Putin verhandeln?

Martin Bäumle: Die Ukraine muss Garantien für eine Neutralität analog der Schweiz erhalten, aber auch offen sein, über die Abgabe gewisser Gebiete zu verhandeln. Konkret dürfte die Krim für die Ukraine nicht zurückzuholen sein. Für die beiden Separatisten-Republiken Donezk und Luhansk braucht es Lösungen, welche einen langfristigen Frieden sicherstellen.

Wichtig ist, dass gerade Städte wie Cherson und Mariupol nicht an Russland gehen. Sonst würde Putin tatsächlich für seinen unentschuldbaren Angriffskrieg belohnt. Aber er muss ohne totalen Gesichtsverlust aus diesem Krieg herauskommen. Ein Kompromiss wird für beide immer schwieriger, denn jeden Tag sterben Menschen auf beiden Seiten.

Nau.ch: Inwiefern kann die Schweiz einen Beitrag leisten – gerade mit Blick auf die Wiederaufbau-Konferenz für die Ukraine in Lugano?

Wolodymyr Selenskyj
Wolodymyr Selenskyj sieht sein Land als «zukünftigen gleichrangigen Partner für mindestens 27 EU-Länder». - Kay Nietfeld/dpa

Martin Bäumle: Das Signal zur Unterstützung beim Wiederaufbau ist wichtig. Gleichzeitig sollte die Schweiz die Tage aber nutzen, um mit der Ukraine offen über Lösungen zu reden und nicht nur Solidaritätsbekundungen abzugeben. Die Schweiz sollte versuchen, parallel den Draht nach Russland wieder herzustellen.

Ich sehe da immer noch Chancen, aber vielleicht sollte Bundespräsident Cassis dazu erfahrene Leute beiziehen und auch nicht zögern, seinen Vorgänger Didier Burkhalter einzubeziehen.

Nau.ch: Wie ist Ihre Position zu russischem Gas? Der Verzicht beschleunigt offensichtlich die Energiewende, was Sie ja begrüssen dürften.

SVP Magdalena Martullo Blocher
Magdalena Martullo-Blocher fordert, dass der Westen mit Wladimir Putin verhandelt. - Keystone

Martin Bäumle: Ja, aber so leicht ist das nicht. Und Frau Martullo hat als Unternehmerin sicher auch egoistische Motive, ihre Partei torpediert die Energiewende seit Jahren. Wo ich aber mit ihr einig bin: Ich habe grossen Respekt vor dem Winter. Wenn Putin im Herbst plötzlich den Spiess umdreht und die Gaslieferungen einstellt, haben wir ein Problem.

Das könnte er tun, denn durch die gestiegenen Preise für Öl und Gas sowie anderen Abnehmern hat er Geld ohne Ende. Müssten wir den Gürtel enger schnallen, fürs Benzin drei Franken oder mehr zahlen und nur noch auf 18 Grad heizen, würden viele Menschen ihre heutige Solidarität wohl rasch vergessen.

Nau.ch: Sie sind mit einer Ukrainerin verheiratet. Teilt Ihre Frau Ihre Ansichten zum Krieg?

Martin Bäumle Cassis
Martin Bäumle im engagierten Gespräch mit Bundespräsident Ignazio Cassis. - Keystone

Martin Bäumle: Fast immer. Aber wenn ich Selenskyi kritisiere, dann bekomme ich auf die Kappe. Dann sagt sie mir: ‹Er sitzt in Kiew und muss für seine Leute schauen, nicht du.› Das stimmt, er steht unter einem enormen Druck und macht einen guten Job. Aber ich wünsche mir, dass er mehr Offenheit zeigen würde für eine Friedenslösung. Bei ihm könnte die Schweiz sich aktiv einbringen, denn jetzt wird es mehr und mehr zum verlustreichen Abnützungskrieg.

Und seien wir ehrlich: So lange der Westen nicht bereit ist, der Ukraine Kampfjets und schwere Waffen zu liefern, mit denen sie Russland mit Gegenoffensiven echt gefährden könnte, ändert sich daran nichts. Und wenn das passieren würde, könnte tatsächlich ein Weltkrieg drohen. Das will niemand, scheint aber vielen auch in der Schweiz nicht bewusst.

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