Maskenpflicht: Parteichefs verstecken sich hinter Bundesrat
Der öffentliche Verkehr kommt wieder in Fahrt. Mehr Passagiere bedeutet aber nicht mehr Masken. Die Parteichefs winden sich – trotz wissenschaftlichem Klartext.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Home-Office-Empfehlung gilt nicht mehr. Der ÖV ist wieder stärker ausgelastet.
- Die Wissenschafts-Task-Force des Bundes plädiert deshalb für eine Maskenpflicht.
- Politisch wirds aber schwierig. Vor allem die Mitteparteien winden sich in der Frage.
Seite heute Montag gibt es keine Home-Office-Empfehlung mehr. Wohl auch dank dem Lobbying der Transport-Unternehmen hat der Bundesrat die Bestimmung aufgehoben. So dürften sich Trams, Busse und Züge rasch wieder füllen.
Egal ob SBB, BLS oder Bernmobil: Die Branche fordert Passagiere auf, Masken zu tragen, wenn der Abstand von neu 1,5 Metern nicht eingehalten werden kann. Auf offene Ohren stossen die Plakate und Lautsprecher-Durchsagen allerdings nicht.
Nach wie vor trägt kaum jemand eine Schutzmaske. Eine Auswertung kam letzte Woche zum Schluss, dass 94 Prozent der Pendler «oben ohne» unterwegs sind.
Task-Force-Chef will Pflicht – Glättli fühlt sich als «Globi»
Matthias Egger, Leiter der Corona-Taskforce des Bundes, bereitet das Sorgen. «Mit den neuen Lockerungen sind wir wohl bald am Punkt angekommen, an dem eine breite Maskenpflicht eingeführt werden muss», erklärte er in der SonntagsZeitung.
Manchen Politikern reisst nun ebenfalls der Geduldsfaden. Balthasar Glättli, frischgebackener Präsident der Grünen, befürwortet neuerdings eine Tragepflicht.
«Ich komme mir mit Maske manchmal vor wie ein Globi», ärgert er sich im «Sonntalk» auf TeleZüri. Die grosse Frage mit den Lockerungen sei, ob das Virus weiter übertragen werde.
«Der Bundesrat hat Angst, dass er eine Maskenpflicht nicht kommunizieren kann. Er sitzt in der eigenen Falle», so Glättli mit Verweis auf frühere Aussagen von Alain Berset und Daniel Koch.
SP-Chef Levrat versteckt sich hinter Genosse Berset
Andere Parteichefs weichen auf Anfrage aus und verstecken sich hinter dem Bundesrat. «Die SP Schweiz orientiert sich hinsichtlich Masken-Obligatorium im ÖV an den Behördenvorgaben.»
Sollte ein Obligatorium angeordnet werden, «würde die SP dieses unterstützen», so Levrat zu Nau.ch. Mit dem ohrenbetäubenden Schweigen will der Freiburger wohl sicherstellen, dass er nicht «seinem» Gesundheitsminister und Kollegen Alain Berset in den Rücken fällt.
Ähnlich lapidar fällt die Stellungnahme von CVP-Präsident Gerhard Pfister aus. «Die CVP unterstützt die Position des Bundesrats, der für Masken im ÖV eine dringende Empfehlung ausgesprochen hat, wenn die Distanzen nicht eingehalten werden können», sagt er bloss.
FDP-Gössi: «Bin nicht dagegen, aber..»
Und auch FDP-Präsidentin Petra Gössi windet sich. «Ich bin nicht gegen eine Maskenpflicht», sagt sie zu Nau.ch. Doch eine solche hätte «wennschon von Anfang an» eingeführt werden sollen. Das hätte nämlich die Akzeptanz in der Bevölkerung erhöht, so die Schwyzerin.
Bei der Aufarbeitung gelte es zu untersuchen, ob das eine gute Entscheidung gewesen sei. Heute fordere die FDP kein allgemeines Obligatorium. Ein solches berge die Gefahr, dass die anderen Hygienemassnahmen wie Händewaschen vernachlässigt würden.
Deshalb appelliert die Chefin der Freisinnigen an die Eigenverantwortung: «Es soll eine Maske tragen, wer sich krank fühlt oder wer beispielsweise im ÖV über längere Zeit eng neben anderen sitzen muss.»
Gössis Tipp an die Kranken könnte dabei ein Teil des Problems sein. Wissenschaftler Egger etwa trägt konsequent eine Maske im ÖV.
Er sagt: «Ich spüre die komischen Blicke und die unausgesprochene Frage, ob ich wohl krank sei. Das hindert wohl viele daran, eine Maske zu tragen. Eine Maskenpflicht würde natürlich auch dieses Problem lösen.»