Mitte gespalten bei Sanktionen
Bei der Frage nach eigenständigen Sanktionen der Schweiz gegen Russland geht der Graben mitten durch «Die Mitte». Die Ständeräte stellen sich gegen ihren Chef.
Das Wichtigste in Kürze
- Mitte-Präsident Gerhard Pfister fordert eigenständige Sanktionen gegenüber Russland.
- Doch die Mitte-Ständeräte lehnten eine entsprechende Gesetzesänderung geschlossen ab.
- Es gehe jetzt darum, jetzt Haltung zu zeigen, sagt Mitte-Nationalrat Martin Landolt.
Desavouieren gleich sämtliche Mitte-Ständeräte ihren Parteipräsidenten Gerhard Pfister? «Desavouieren ist ein böses Wort», sagt Mitte-Nationalrat Martin Landolt. «Aber es ist sehr zu bedauern, wenn der Ständerat aus formalistischen Überlegungen das Haar in der Suppe sucht.»
Vor allem bei diesem Thema: Menschenrechtsverletzungen, mit aktuellem Fokus auf den Ukraine-Krieg.
Mitte-Ständeräte sägen Mitte-Chef Pfister ab
Schneller und gezielter Sanktionen zu ergreifen gegen Personen und Organisationen, die die Menschenrechte verletzen: Das strebte der Bundesrat bereits vor dem Ukraine-Krieg an. Die Änderung des Embargo-Gesetzes erhielt diesen Frühling zusätzliche Brisanz. Prompt fügte der Nationalrat einen Artikel ein, der es dem Bundesrat erlauben würde, auch eigenständige Sanktionen zu erlassen.
Praktisch geschlossen stimmte die Mitte-Fraktion mit Links-Grün dem zu, doch ebenso geschlossen stimmten die Mitte-Ständeräte mit den Rechtsbürgerlichen dagegen. Obschon sich im Nationalrat Mitte-Präsident Gerhard Pfister persönlich für eigenständige Sanktionen starkgemacht hatte, befand Mitte-Ständerat Pirmin Bischof: «Es würde gar nichts nützen, wenn die Schweiz allein Sanktionen ergreifen würde.»
Das Argument der linken Ständeratskollegen, nicht die Grösse des Staates, sondern des Finanzplatzes sei relevant, liess Bischof nicht gelten. Als Kleinstaat ein eigenes Sanktionsregime aufzuziehen, sei allenfalls sympathisch, aber wenig praktikabel.
Die Frage der Neutralität sei sekundär, doch fairerweise müsse man dann weltweit Menschenrechtsverletzungen nachgehen und angemessene Sanktionen evaluieren, warnte Bischof.
«Haar in der Suppe» statt «Haltung zeigen»
Gegenüber solchen Argumenten spart Martin Landolt auch parteiintern nicht mit Kritik. «Man kann auch so lange das Haar in der Suppe suchen, bis die Suppe kalt ist. Aber dann ist sie nicht mehr geniessbar.»
Für Landolt ist die Diskussion um eigenständige Sanktionen der Schweiz eine Frage der Haltung. Das Parlament hätte so die Chance gehabt, diese zu zeigen, betont Landolt: «Was in Zeiten wie diesen sehr angebracht wäre.»
Parteipräsident Gerhard Pfister habe eine «sehr wohltuende Wertebotschaft» thematisieren wollen. Nach der Abfuhr im Ständerat wird sich der Nationalrat dem strittigen Punkt noch einmal annehmen müssen. «Ich bin gespannt, ob sich nun die Reihen schliessen», meint Landolt vielsagend. Die Reihen derjenigen Partei, die mit dem Slogan wirbt: «Wir halten die Schweiz zusammen.»
«Darf auch mal Symbolpolitik machen»
Dabei räumt selbst Landolt ein, dass die gesetzliche Festlegung von eigenständigen Sanktionen eher symbolischer Natur wäre. Denn der Bundesrat kann – und hat es auch schon getan – bereits heute eigenständige Sanktionen beschliessen. Nur muss er dazu auf die Bundesverfassung und Notrecht zurückgreifen, was er lieber vermeiden möchte.
In dem Sinne gehe es auch darum, dem Bundesrat zu signalisieren, dass diese Wertehaltung gestützt werde, findet Landolt. «Man kann den Bundesrat in dem Sinne auch bestärken und motivieren, um aktiver zu werden.»
Denn, findet Landolt: «Es sind spezielle Zeiten, da darf man auch mal Symbolpolitik machen.» Auch um im In- und Ausland zu «zeigen, was wir gut finden und was wir weniger gut finden. Primär gehe es um das, «und weniger um Paragrafen und Buchstaben.» Vorläufig aber brocken die Mitte-Ständeräte ihrem Parteipräsidenten eine kalte Suppe ein, die er nun – hoffentlich haarfrei – auslöffeln darf.