Der Tod des iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi bringt die Schweiz in eine diplomatische Zwickmühle: Wie reagieren?
Ebrahim Raisi Helikopter-Absturz
Der iranische Präsident Ebrahim Raisi ist bei einem Helikopter-Absturz ums Leben gekommen. (Archiv) - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Wie reagiert die Schweiz korrekt auf den Tod des iranischen Präsidenten Raisi?
  • Für Mitte-Präsident Gerhard Pfister ist klar: «Nichts» wäre besser gewesen.
  • Oder ist Aussenminister Ignazio Cassis eine diplomatische Gratwanderung gelungen?
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Bei einem Helikopter-Absturz nahe der Grenze zu Aserbaidschan sind sowohl der iranische Präsident als auch der Aussenminister ums Leben gekommen. Das brachte die Schweizer Diplomatie in eine verzwickte Lage: Wie regiert man diplomatisch korrekt?

Ignazio Cassis Ebrahim Raisi
Aussenminister Ignazio Cassis kondoliert via X (vormals Twitter) nach dem Tod von Ebrahim Raisi, dem iranischen Präsidenten, und seinem Amtskollegen, Aussenminister Hussein Amirabdollahian. - keystone

Zwar ist der Iran nicht gerade eine befreundete Nation, aber die Schweiz hat immerhin das Schutzmachtmandat Irans gegenüber Erzfeind USA. Lies: Wir haben anonymerweise sehr viel mit dem Iran zu tun, denn irgendwas ist immer. Aber Präsident Ebrahim Raisi gilt als mitverantwortlich für Massenhinrichtungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Diese Drohnenaufnahmen zeigen die Absturzstelle des Helikopters. - X@IrnaEnglish

Aussenminister Hussein Amirabdollahian war Teil des brutalen Regimes, aber auch Amtskollege von Aussenminister Ignazio Cassis. Dieser kondolierte auf X (vormals Twitter) und machte es damit, sagen wir, nicht allen recht.

Mitte-Pfister fordert: «Kein Beileid»

Unter den Hunderten von Kommentaren sticht derjenige eines Parteipräsidenten heraus. Gerhard Pfister, Chef der Mitte-Partei, findet: Bei künftigem Ableben ähnlich gelagerter Vertreter von Regimen, solle sich Cassis’ EDA ein Beispiel an Julia Klöckner nehmen.

Gerhard Pfister Julia Klöckner
Mitte-Präsident Gerhard Pfister findet, die Schweizer Regierung solle es halten wie die CDU-Politikerin Julia Klöckner: kein Beileid für Raisi. - Screenshot x.com

Diese ist Bundestagsabgeordnete und ehemalige Ministerin und der Ansicht: «Von uns gibt es kein Beileid für Raisi.» Aber was ist denn mit «über Tote lästert man nicht» und generell den diplomatischen Gepflogenheiten?

«Das EDA hätte ja auch nichts kommunizieren können», ergänzt Pfister auf Nachfrage. Eine Variante, die auch GLP-Nationalrätin Corina Gredig favorisiert: «Ich hätte auf den Tweet verzichtet und nur direkt via den diplomatischen Kontakten den Familien kondoliert.»

Ex-Botschafter attestiert Cassis «gelungene Gratwanderung»

Eine andere Einordnung macht Thomas Borer: Der ehemalige Botschafter ist heute als Berater tätig und wird vom «Time Magazine» als «Architekt der Schweizer Neutralität» gewürdigt. Für ihn ist völlig klar, wie sich ein amtierender Aussenminister verhalten muss: «Wenn ein Amtskollege zu Tode kommt, dann hat man zu kondolieren. Alles andere wäre auf dem staatlichen Parkett nicht angebracht und käme einem Affront gleich.»

Thomas Borer
Thomas Borer ist Berater und ehemaliger Botschafter der Schweiz. - Screenshot thomas-borer.com

Auch klar: Für «Altbotschafter» (Zitat Borer) und Parteipräsidenten gelten andere Regeln. Genauso klar sei aber auch, dass man nicht einen allzu freundschaftlichen Nachruf gewähre. Nicht für jemanden, «der verantwortlich für Massenhinrichtungen gemacht wird und für völlig andere Werthaltungen einsteht als die Schweiz.» Genau dies habe Bundesrat Ignazio Cassis aber gemacht: «Cassis und auch der Gesamtbundesrat haben hier eine gelungene Gratwanderung vollzogen.»

«Lustlos anmutende Beileidsbekundung»

Denn genau genommen hat Bundesrat Cassis lediglich den Hinterbliebenen kondoliert. Er hat nicht, wie sonst üblich, die Verstorbenen in irgendeiner Form gewürdigt. Auch der Iran als Land bleibt aussen vor – kein «schwerer Verlust» wird erwähnt, nur allenfalls mitbetroffene Bürger Irans.

Hast du die Berichterstattung rund um den Tod des iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi mitverfolgt?

Also doch vordergründig die diplomatische Pflicht erfüllt und dafür via Kondolenz gleich noch zwischen den Zeilen eins ausgewischt? Wie auch immer solches gelesen wird im Iran: Es werde keine Konsequenzen haben bezüglich Schutzmachtmandat, glaubt Thomas Borer.

Auch als neutrale Vermittlerin würden wir, «vor allem nicht von einem Staat wie dem Iran», längst nicht mehr angesehen: «Daran wird auch eine vielleicht lustlos anmutende Beileidsbekundung nichts ändern.»

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