Nach Ja zum UNO-Sicherheitsrat: SVP sieht Neutralität «beerdigt»
Die SVP kämpfte vergeblich gegen eine Kandidatur für den UNO-Sicherheitsrat. Für die Schweiz wäre ein Einsitz nur mit Nachteilen verbunden, so ein Nationalrat.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Schweiz könnte bald in den UNO-Sicherheitsrat gewählt werden.
- Für SVP-Politiker bedeutet dies das Ende der Schweizer Neutralitätspolitik.
- Vor allem in Kriegszeiten müsste der Bundesrat Stellung nehmen, was gefährlich sei.
Der Nationalrat hat heute für einen nichtständigen Sitz im UNO-Sicherheitsrat gestimmt. Damit hat die SVP ein letztes Mal ohne Erfolg versucht, die Kandidatur des Bundesrats aufzuhalten. Nur einzelne Vertreter der Mitte haben mit der Rechtspartei Nein gedrückt oder sich enthalten.
Das Resultat war eigentlich vorhersehbar. Die Kandidatur ist schon seit über zehn Jahren ein Ziel des Bundesrats. Ein Zurückziehen in letzter Minute hätte kein gutes Image der Schweiz in die Welt projiziert. Aber der Imageschaden durch einen Sitz im Sicherheitsrat gäbe noch ein schlechteres Image ab, ist sich die SVP sicher.
SVP: «Es geht um die Aussenwahrnehmung»
Der frischgebackene Nationalrat Benjamin Fischer, ehemaliger Präsident der Jungen SVP, sitzt in der Staatspolitischen Kommission SPK. Er nahm dementsprechend auch an der Debatte teil. Im Anschluss sagt er zu Nau.ch: «Wir stehen so nahe vor einem dritten Weltkrieg, wie schon seit den sechziger Jahren nicht mehr.»
«Die Wirtschaftssanktionen, welche die Schweiz auch mittragen, dienen eigentlich dazu, Russland auszuhungern.» Schon da habe der Bundesrat das Neutralitätsprinzip aufgegeben, ertönt es aus der «Sünneli»-Partei.
Mit dem heutigen Entscheid zum Beitritt zum UNO-Sicherheitsrat haben SP, Grüne, GLP, Mitte und FDP die immerwährende Schweizer Neutralität beerdigt. Einzig die SVP hat sich dagegen gewehrt. Nun gehört die CH einem Gremium an, das über Krieg, Frieden und Sanktionen entscheidet. pic.twitter.com/uCOez7XphO
— SVP Schweiz (@SVPch) March 10, 2022
Fischer fährt fort: «Würde die Schweiz zusätzlich im Sicherheitsrat involviert, insbesondere in dieser brenzligen Lage, könnten wir noch weniger als neutral angesehen werden: Es geht ja um die Aussenwahrnehmung.»
Und dann könne die Schweiz nicht mehr zwischen zwei Konfliktparteien vermitteln: «Das ist aber das, was am Ende zählt», so der Zürcher. Anders gesagt, Russland würde nicht mehr die Guten Dienste der Eidgenossenschaft in Anspruch nehmen wollen. Denn neutral sein heisse, uninvolviert zu sein, auch, wenn es «Gute» und «Böse» gebe.
Russland kann immer noch Veto einlegen
Benjamin Fischer bezweifelt auch, dass die Schweiz im Sicherheitsrat Grosses bewirken könnte. Es gelte eigentlich immer noch das Recht des Stärkeren: «Die fünf Grossen können immer ein Veto einlegen», so Fischer. «Es ist illusorisch zu denken, dass die Schweiz da wirklich mitmischen könnte.»
Was ist mit der Enthaltungsmöglichkeit? «Konsequente Enthaltung ist in Kriegszeiten eine unwahrscheinliche Strategie», glaubt Fischer. «Ausserdem zählt man dann zu einem Block.» Im Sinne von «wenn du nicht mit mir bist, dann bist du gegen mich».
Könnte die Bevölkerung über die Kandidatur abstimmen, würde sie sicherlich Nein sagen: «Ich bin davon überzeugt.» Bundesrat Cassis hatte beteuert, das Volk habe mit seinem Ja zum UNO-Beitritt auch Ja zu einem Sicherheitsratssitz gesagt. «Das ist sehr weit hergeholt», schmunzelt Fischer.
Zustimmung der Bevölkerung hin oder her: Im Juni dieses Jahres stimmen die UNO-Mitglieder über die zwei neuen nichtständigen Mitglieder des Sicherheitsrats ab. Sollte die Schweiz gewählt werden, würde das Parlament immerhin regelmässig vom Bundesrat miteinbezogen. Die Exekutive hat es so versprochen.