OECD-Mindeststeuer: Kann die SP ihre Erfolgsserie fortsetzen?
Bei der Stempelsteuer-Abstimmung hatte die SP das Volk auf ihrer Seite. Im Juni kommt die OECD-Mindeststeuer vors Volk – eine andere Ausgangslage.
Das Wichtigste in Kürze
- Am 18. Juni kommt nebst dem Klimaschutz-Gesetz eine Steuervorlage vors Volk.
- Bei der OECD-Mindeststeuer geht es um eine konkrete Umsetzung.
- Politologe Claude Longchamp geht von einer Annahme mit 60 Prozent aus.
Nachdem der erste Abstimmungstermin des Jahres mangels Vorlagen ausfällt, kommen am 18. Juni mindestens zwei Vorlagen vors Volk: das Klimaschutz-Gesetz und die OECD-Steuer. Offen bleibt, ob das dritte Referendum gegen das Covid-19-Gesetz bis Ende Monat noch zustande kommt.
Neben der Frühlingssession bringen sich die Parteien auch langsam für den Abstimmungssonntag in Stellung. Die Mitte und FDP haben bereits die Ja-Parole gefasst. Die Delegierten der SP hingegen haben sich für eine Ablehnung ausgesprochen.
Zur Übernahme der OECD-Mindeststeuer hat sich die Schweiz bereits unter dem ehemaligen Finanzminister Ueli Maurer verpflichtet. Bei der Abstimmung geht es nun um die konkrete Umsetzung davon.
Klare Ausgangslage: Links dagegen – Mitte-Rechts dafür
Politologe Claude Longchamp spricht von einer klaren Ausgangslage im Parlament: «Die Stimmen verliefen präzise entlang der Konfliktlinie links und rechts. Sprich: SVP, FDP, Mitte und GLP waren geschlossen dafür, SP und Grüne geschlossen dagegen.»
«Bei dieser Ausgangslage reicht es im Normalfall», so die Einschätzung des Experten. Auch der Parolenspiegel spreche für ein deutliches Ergebnis von rund 60 Prozent Zustimmung.
Doch in diesem Fall sei es doch ein bisschen komplizierter, deshalb warnt Longchamp vor allzu schnellen Prognosen. «Es ist ein Steuerthema, und da hat sich in den letzten fünf Jahren die Situation geändert. Dreimal hat die SP das Referendum gegen eine bürgerlich geprägte Vorlage ergriffen, und dreimal hat sie die Mehrheit der Bevölkerung bekommen.»
Stolperstein für die Linken
Die globale Mindeststeuer ist eigentlich eine linke Grundidee, die von der OECD übernommen wurde. Doch der politische Kampf drehe sich nicht um das Prinzip der Minimalsteuer, erklärt Longchamp. Streitpunkt sei, in welche Kasse die Mehreinnahmen – schätzungsweise zwischen 1 und 2,5 Milliarden Franken – fliessen sollen.
«Die Linken sind der Meinung, drei Viertel sollten an den Bund gehen.» Dieser habe einen riesigen Finanzierungsbedarf und ein beachtliches Defizit wegen Corona. Die Bürgerlichen hingegen wollen die Kantone stärken, indem sie ihnen 75 Prozent der Einnahmen zurückgeben.
In beiden Lagern sieht der Politologe ein Problem. Bei der SP hat diese Vor- und Nachnamen: Eva Herzog. Ausgerechnet die Bundesratskandidatin der SP ist eine glühende Verfechterin der Vorlage.
«Auf der anderen Seite gibt es vor allem in bäuerlichen Kreisen bürgerliche Gegner des Verteilschlüssels. Man ist der Meinung, dass die Kantone zu viel Geld erhalten», so Longchamp. Damit könnten diese ihre Standort-Attraktivität fördern. Am Ende würden wieder die international tätigen Grossunternehmen begünstigt werden.
SP würde bei Sieg einen starken Schub für die Wahlen erhalten
Kurz vor den Wahlen stellt sich die Frage, wie der Ausgang der Abstimmung die Chancen der Parteien beeinflussen könnte. «Bei einer Annahme ist es recht schwierig, dass eine Partei profitieren würde. Das bürgerliche Lager und sein Selbstbewusstsein würden gestärkt, insbesondere nach den beiden Niederlagen in Steuerabstimmungen von 2022.» Der Sieg würde sich auf einen möglichen bürgerlichen Schub also eher neutral auswirken.
Im linken Lager sieht der Experte jedoch eine andere Ausgangslage. Ein Sieg wäre besonders für die SP, die sich stärker engagiere, ein Geschenk. «Sollte es ihnen tatsächlich gelingen, dass sich die Vorstellungen der SP in der Abstimmung durchsetzt, wäre dies auf jeden Fall ein sehr starker Schub vor den Wahlen.»
Keinen grossen Einfluss auf die Wahlen würde wohl das allfällige Referendum gegen das Covid-Gesetz haben, so die Einschätzung von Claude Longchamp. «Ich gehe davon aus, dass es das Klima des Abstimmungskampfes beeinflussen kann – aber nicht, dass im Hinblick auf die Wahlen etwas Entscheidendes passiert.»