Parlamentarier kriegen Spesen – auch ohne einen Nachweis

Matthias Bärlocher
Matthias Bärlocher

Bern,

Mitglieder von National- und Ständerat erhalten eine Spesenpauschale für persönliche Mitarbeitende. Auch wenn sie gar keine haben.

Philippe Nantermod persönlicher Mitarbeiter
Nationalrat Philippe Nantermod (FDP/VS), rechts, und sein persönlicher Mitarbeiter André Vernay arbeiten an Computer und Tablet in der Eingangshalle des Parlamentgebäudes. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • 33'000 Franken erhalten Parlamentsmitglieder für Spesen und Personalausgaben.
  • Das Geld ist steuerfrei, ein Nachweis wird nicht verlangt.
  • Eine Untersuchung zeigt nun: Mehr als die Hälfte stellt gar niemanden an.

Eine Praxis, die Fragen aufwirft: Mehr als die Hälfte der Parlamentarierinnen und Parlamentarier beschäftigt keine persönlichen Mitarbeiter. Sie erhalten aber trotzdem eine steuerfreie Jahresentschädigung für Sach- und Personalausgaben. Diese Entschädigung beträgt jährlich 33'000 Franken – und wird ohne Nachweis ausgezahlt.

Eine Untersuchung der Recherche-Plattform «Correctiv» zeigt nun: Diese Praxis führt dazu, dass jährlich fast 4,5 Millionen Franken an Parlamentarier fliessen, die keine Mitarbeiter einstellen. In einer vierjährigen Amtszeit summiert sich das auf fast 18 Millionen Franken – finanziert durch Steuergelder.

Nationalrat Abstimmung
Die Mitglieder des Nationalrats stimmen über eine Vorlage ab, während der Budgetdebatte an der Wintersession der Eidgenössischen Räte, am 5. Dezember 2024 im Nationalrat in Bern. - keystone

Zusätzlich zu dieser Entschädigung erhalten Nationalräte durchschnittlich rund 12'500 Franken pro Monat und Ständeräte beinahe 14'000 Franken. Viele verdienen zusätzlich Geld durch ausserparlamentarische Tätigkeiten oder Verwaltungsratsposten.

Spesenoptimierung statt Personalunterstützung

Ein Bericht in Zusammenarbeit zwischen dem Büro des Nationalrats und der Universität St. Gallen kam zu dem Schluss: «Etliche würden die Beiträge für persönliche Mitarbeitende beanspruchen, um so ihr Einkommen steuerfrei zu optimieren.»

Obwohl dies nicht illegal ist, wirft es moralische Fragen auf.

Sollten Parlamentsmitglieder die Verwendung ihrer Spesen für persönliche Mitarbeitende nachweisen müssen?

Die Grundlage für diese Praxis ist das Parlaments-Ressourcengesetz zur Deckung der Personal- und Sachausgaben. Seit 2002 können Ratsmitglieder ihre Mitarbeiter aus den Geldern der Jahresentschädigung bezahlen. Dies wird umgangssprachlich als «Spesen für persönliche Mitarbeitende» bezeichnet.

Viele Ratsmitglieder stellen persönliche Mitarbeitende ein, die in der Folge auch eingeschränkten Zugang zu Kommissionsunterlagen haben. Diese Liste wird monatlich aktualisiert, aber nicht archiviert – eine Praxis, die auf Nachfrage hin plötzlich geändert wurde.

Verzicht auf persönliche Mitarbeitende

Besonders auffällig ist, dass bürgerliche Politiker oft auf persönliche Mitarbeiter verzichten. Bei der SVP und der Mitte-Fraktion beschäftigt laut Verwaltungsliste nur ein Drittel persönliche Mitarbeiter. Bei der FDP nutzt mehr als die Hälfte die Spesen für andere Zwecke. Bei Grünen und GLP sind es weniger als die Hälfte.

Persönliche Mitarbeitende Spesen
Persönliche Mitarbeitende mit Zugang zu vertraulichen Dokumenten, nach Anzahl Sitze der Fraktion in National- und Ständerat. - Screenshot correctiv.org/Parlamentsdienste

Eine Studie der Universität Genf von 2017 zeigt: Eine Nationalrätin ohne Angestellte verdient vor Steuern 93 Franken pro Stunde. Mit einer Angestellten sinkt dieser Betrag um fast ein Drittel auf 65 Franken.

Moralische Fragen, aber kein grundsätzliches Problem

Sarah Bütikofer von der Universität Zürich sieht darin kein grundsätzliches Problem, wie sie «Correctiv» sagt: «In einem Milizparlament ist es allen freigestellt, ob sie persönliche Mitarbeitende beschäftigen oder nicht.» Doch stellt sich die Frage, ob das Geld auch moralisch zusteht.

Einige Parlamentarier mit hohen Einkommen nutzen diese Praxis. Mitte-Nationalrat Markus Ritter verdient zusätzlich zu Lohn und Spesen 104'000 Franken pro Jahr als Präsident des Schweizerischen Bauernverbands. Sein Parteikollege Lorenz Hess erhielt als Verwaltungsratspräsident der Visana im letzten Jahr 166'750 Franken.

Änderungen unwahrscheinlich

Trotz dieser Praktiken sieht Bütikofer keine Regeländerung in naher Zukunft: «Änderungen, wie dass der Bund für die Anstellung von Mitarbeitenden pro Parlamentsmitglied zuständig wäre, haben wenig Chancen auf eine Mehrheit.» Ein Vorstoss der SP scheiterte bereits vor sechs Jahren. Er forderte, die Jahresentschädigung auf 10'000 Franken zu senken und persönliche Mitarbeiter direkt vom Bund anzustellen.

Bütikofer warnt vor einem «Pseudo-Milizparlament», in dem immer mehr Vollzeit-Parlamentarier sitzen. Dies führe zu einem stärkeren und intransparenten Einfluss von Einzelinteressen. Sie plädiert dafür, Parlamentsmitglieder besser zu unterstützen, damit sie nicht auf zusätzliche Einkommen angewiesen sind.

Kommentare

User #1416 (nicht angemeldet)

Es ist eine Schande, was hier abgeht NR & SR sollten keine VR oder andere Private Sitze inne haben, hier schleicht sich Befangenheit ein. Das andere kommt einem vor wie Diebstahl am Volke, aber schaut man wie gewisse BR sich so leisten mit ihren persönlichen Sekretäre und Beraterinnen muss man sich nicht wundern was in diesem Saustall in Bundes-Bern abgeht. Da bedient man sich am Volksgut, sowie oben, in den Bundesämter, Staatsbetriebe ( EWs, Post,Bahn, usw.)

User #5881 (nicht angemeldet)

Politik ist Gaunerei 😳 Bin im Gegenzug für eine Steuerfreie AHV 💪🏻 Wo ist der Tell von heute ?

Weiterlesen

Der Ständerat während einer Session.
64 Interaktionen
Nationalrat
90 Interaktionen
Andreas Glarner Cédric Wermuth
438 Interaktionen
Stress
22 Interaktionen

Mehr aus Stadt Bern