Parlamentarier kriegen Spesen – auch ohne einen Nachweis
Mitglieder von National- und Ständerat erhalten eine Spesenpauschale für persönliche Mitarbeitende. Auch wenn sie gar keine haben.
Das Wichtigste in Kürze
- 33'000 Franken erhalten Parlamentsmitglieder für Spesen und Personalausgaben.
- Das Geld ist steuerfrei, ein Nachweis wird nicht verlangt.
- Eine Untersuchung zeigt nun: Mehr als die Hälfte stellt gar niemanden an.
Eine Praxis, die Fragen aufwirft: Mehr als die Hälfte der Parlamentarierinnen und Parlamentarier beschäftigt keine persönlichen Mitarbeiter. Sie erhalten aber trotzdem eine steuerfreie Jahresentschädigung für Sach- und Personalausgaben. Diese Entschädigung beträgt jährlich 33'000 Franken – und wird ohne Nachweis ausgezahlt.
Eine Untersuchung der Recherche-Plattform «Correctiv» zeigt nun: Diese Praxis führt dazu, dass jährlich fast 4,5 Millionen Franken an Parlamentarier fliessen, die keine Mitarbeiter einstellen. In einer vierjährigen Amtszeit summiert sich das auf fast 18 Millionen Franken – finanziert durch Steuergelder.
Zusätzlich zu dieser Entschädigung erhalten Nationalräte durchschnittlich rund 12'500 Franken pro Monat und Ständeräte beinahe 14'000 Franken. Viele verdienen zusätzlich Geld durch ausserparlamentarische Tätigkeiten oder Verwaltungsratsposten.
Spesenoptimierung statt Personalunterstützung
Ein Bericht in Zusammenarbeit zwischen dem Büro des Nationalrats und der Universität St. Gallen kam zu dem Schluss: «Etliche würden die Beiträge für persönliche Mitarbeitende beanspruchen, um so ihr Einkommen steuerfrei zu optimieren.»
Obwohl dies nicht illegal ist, wirft es moralische Fragen auf.
Die Grundlage für diese Praxis ist das Parlaments-Ressourcengesetz zur Deckung der Personal- und Sachausgaben. Seit 2002 können Ratsmitglieder ihre Mitarbeiter aus den Geldern der Jahresentschädigung bezahlen. Dies wird umgangssprachlich als «Spesen für persönliche Mitarbeitende» bezeichnet.
Viele Ratsmitglieder stellen persönliche Mitarbeitende ein, die in der Folge auch eingeschränkten Zugang zu Kommissionsunterlagen haben. Diese Liste wird monatlich aktualisiert, aber nicht archiviert – eine Praxis, die auf Nachfrage hin plötzlich geändert wurde.
Verzicht auf persönliche Mitarbeitende
Besonders auffällig ist, dass bürgerliche Politiker oft auf persönliche Mitarbeiter verzichten. Bei der SVP und der Mitte-Fraktion beschäftigt laut Verwaltungsliste nur ein Drittel persönliche Mitarbeiter. Bei der FDP nutzt mehr als die Hälfte die Spesen für andere Zwecke. Bei Grünen und GLP sind es weniger als die Hälfte.
Eine Studie der Universität Genf von 2017 zeigt: Eine Nationalrätin ohne Angestellte verdient vor Steuern 93 Franken pro Stunde. Mit einer Angestellten sinkt dieser Betrag um fast ein Drittel auf 65 Franken.
Moralische Fragen, aber kein grundsätzliches Problem
Sarah Bütikofer von der Universität Zürich sieht darin kein grundsätzliches Problem, wie sie «Correctiv» sagt: «In einem Milizparlament ist es allen freigestellt, ob sie persönliche Mitarbeitende beschäftigen oder nicht.» Doch stellt sich die Frage, ob das Geld auch moralisch zusteht.
Einige Parlamentarier mit hohen Einkommen nutzen diese Praxis. Mitte-Nationalrat Markus Ritter verdient zusätzlich zu Lohn und Spesen 104'000 Franken pro Jahr als Präsident des Schweizerischen Bauernverbands. Sein Parteikollege Lorenz Hess erhielt als Verwaltungsratspräsident der Visana im letzten Jahr 166'750 Franken.
Änderungen unwahrscheinlich
Trotz dieser Praktiken sieht Bütikofer keine Regeländerung in naher Zukunft: «Änderungen, wie dass der Bund für die Anstellung von Mitarbeitenden pro Parlamentsmitglied zuständig wäre, haben wenig Chancen auf eine Mehrheit.» Ein Vorstoss der SP scheiterte bereits vor sechs Jahren. Er forderte, die Jahresentschädigung auf 10'000 Franken zu senken und persönliche Mitarbeiter direkt vom Bund anzustellen.
Bütikofer warnt vor einem «Pseudo-Milizparlament», in dem immer mehr Vollzeit-Parlamentarier sitzen. Dies führe zu einem stärkeren und intransparenten Einfluss von Einzelinteressen. Sie plädiert dafür, Parlamentsmitglieder besser zu unterstützen, damit sie nicht auf zusätzliche Einkommen angewiesen sind.