Parteien trumpfen mit radikalen Vorstössen zur Gesundheitsreform auf
Vor den Wahlen 2023 muss die Bevölkerung mit einem Preishammer bei den Krankenkassenprämien rechnen: Die Parteien trumpfen mit radikalen Reformvorschlägen auf.
Das Wichtigste in Kürze
- Im September 2023 werden die Krankenkassenprämien für das nächste Jahr veröffentlicht.
- 2022 betrug der durchschnittliche Anstieg 6,6 Prozent – heuer sei noch mehr zu erwarten.
- Jetzt trumpfen die Parteien mit radikalen Vorstössen zur Reform des Gesundheitswesens auf.
Herr und Frau Schweizer müssen mit einem erneuten Preishammer im Gesundheitswesen rechnen: Ende September werden die Prämien für das nächste Jahr veröffentlicht. Vor einem Jahr stiegen die Prämien um durchschnittlich 6,6 Prozent – Insider rechnen heuer mit einem noch stärkeren Anstieg.
Ein erneuter Prämienschock ist im Anmarsch – wenige Wochen vor den Wahlen 2023. Entsprechend ist es keine Überraschung, dass die Thematik auch politisch jüngst wieder einiges an Sprengkraft gewonnen hat: Die FDP hatte erst im Juli einen Vorschlag lanciert, der die Einführung einer «Grundversicherung light» fordert.
Radikale Vorstösse zur Reform des Gesundheitswesens
Am vergangenen Wochenende wurden zwei weitere Vorstösse zur Bekämpfung der explodierenden Gesundheitskosten in Aussicht gestellt: Im Interview mit der «Sonntagszeitung» stellte die Zürcher Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli mit dem Krankenkassenobligatorium das Herzstück des Schweizer Gesundheitswesens infrage.
Im Interview erklärt die SVP-Gesundheitspolitikerin, dass sie keine «fertige Lösung» parat habe: Sie wolle mit ihrem Vorstoss aber dennoch eine Debatte anstossen. Dabei müsse man auch eine Abschaffung der obligatorischen Krankenversicherung prüfen, erklärt Rickli.
Als Alternative skizziert die Zürcherin eine Grundversicherung, die in erster Linie für Geringverdiener da sei. Für alle anderen brauche es möglicherweise gar keine obligatorische Versicherung mehr.
Zwei-Klassen-Medizin als Folge?
Gegenüber dem «Tagesanzeiger» erklärt SP-Nationalrätin Flavia Wasserfallen, dass Ricklis Vorschlag eine «Zwei-Klassen-Medizin» zur Folge hätte. Die Sozialdemokratin ist überzeugt, dass Geringverdiener nur noch eine abgespeckte Versicherungsabdeckung erhalten würden.
Anders sieht es bei SVP-Nationalrat Thomas de Courten aus: Der Baselbieter ist der Ansicht, dass die Probleme des Gesundheitswesens tatsächlich mit dem Obligatorium zusammenhingen. Folglich sei das Obligatorium in der Volkspartei nicht nur für Rickli ein Thema.
Der Gesundheitspolitiker skizziert zwar nicht die Abschaffung des Obligatoriums. Er stellt aber eine starke Reduktion des Leistungskatalogs in Aussicht: «Eine Grundversicherung, die den Namen auch verdient.»
Auch die SP schlägt radikale Lösung vor
Quasi gleichzeitig hatte die SP im Rahmen des Parteitags einen weiteren radikalen Vorschlag zur Sanierung des maroden Gesundheitswesens lanciert: Die sozialdemokratische Parteispitze soll eine erneute Volksinitiative für die Einführung einer staatlichen Einheitskasse prüfen.
Neun Jahre nach der Ablehnung der Initiative für eine öffentliche Krankenkasse will die SP einen zweiten Anlauf starten. Für SP-Nationalrat Baptiste Hurni steht fest: Es brauche eine «radikale Reform» des aktuellen Systems, ein Ende des «ungesunden freien Wettbewerbs» und des Einflusses der Lobbyisten.
Die projektierte Volksinitiative soll verlangen, dass jeder Kanton eine eigene öffentliche Krankenkasse einführt, die in eine landesweite Struktur eingebettet wäre. Es sei «höchste Zeit», dass die SP endlich wieder Partei für eine öffentliche und soziale Krankenkasse ergreife.
Der Kampf um Wählerstimmen für die Wahlen 2023 nimmt allmählich Fahrt auf: FDP, SVP und SP denken immer lauter über einen fundamentalen Umbau des Gesundheitswesens nach. Werden die Krankenkassenprämien doch noch zum grossen Wahlkampfthema?