Regierungsrat Christoph Neuhaus: «Kesb-Initiative bringt Aufruhr, Beschimpfungen und Panik»
Die Volksinitiative gegen die Kesb kommt bei den Kesb-Befürwortern überhaupt nicht gut an. Vordergründig ein wohlgemeinter Diskussionsbeitrag trage die Initiative zur Verängstigung bei und wäre in der Umsetzung katastrophal.
Das Wichtigste in Kürze
- Die eben erst lancierte Kesb-Initiative wird scharf kritisiert: Sie wirke kontraproduktiv und fördere das Misstrauen.
- Für den Berner SVP-Regierungsrat Christoph Neuhaus wäre es falsch, primär Familienmitglieder als Beistände einzusetzen.
- Damit werde diejenige Person, die Schutz brauche, der Familie ausgeliefert.
Kaum ist die Kesb-Initiative lanciert, folgt auch schon die Kritik an den Kesb-Kritikern: «Die Initiative ist ein lobenswertes Engagement. Wenn man genauer hinschaut, muss man sagen: Das funktioniert so nicht.» So lautet das Verdikt des Berner Regierungsrats Christoph Neuhaus, der auch im Vorstand der Konferenz für Kinder- und Erwachsenenschutz KOKES sitzt.
Pikant: Wie der Initiant der Kesb-Initiative, Pirmin Schwander, ist Neuhaus SVP-Mitglied. Mit den Vorstellungen seines Parteikollegen geht er hart ins Gericht. Schwander will das Prinzip umkehren: Wenn eine schutzbedürftige Person einen Beistand braucht, soll zuerst in der Familie selbst gesucht und nicht zuerst ein Externer beigezogen werden.
«Funktioniert nur bei intakten Familien»
Damit werde diejenige Person, die Schutz brauche, der Familie ausgeliefert. «Bei intakten Familien funktioniert das, wenn es Krach gibt, geht’s nicht», gibt Neuhaus zu bedenken. Häufig sei «das Kriegsfeld» ja eben gerade die Familie. «Wir erleben viele Kinder mit Verbrennungen, Kinder mit Brüchen oder missbrauchte Kinder.»
Neuhaus widerspricht auch der Darstellung der Initianten, dass bei der Kesb willkürlich entschieden werde. Es seien immer drei Personen mit den Abklärungen befasst. «Aber: wir haben Probleme, die man nicht verleugnen kann», bestätigt Neuhaus. Aufsicht, Diskussion und Neuorientierung sei eine fortlaufende Aufgabe.
Zwei Sichtweisen zum Fall Flaach
Zu nationaler und trauriger Berühmtheit gelangte der Fall Flaach, in dessen Verlauf eine Mutter ihre Kinder und sich selbst tötete. Dieser wird von den beiden Seiten unterschiedlich dargestellt. Kesb-Kritikerin Julia Onken ist überzeugt: Wäre damals die Regelung analog zur Kesb-Initiative gewesen, «würden die beiden Kinder noch leben».
Neuhaus, selbst Vater eines vierjährigen Buben, betont: «Das ist eine ganz schlimme Sache. Aber die Behörden dafür verantwortlich zu machen, ist starker Tobak.» Die Kesb-Initiative werde wohl die Bevölkerung noch weiter verängstigen und gegen die Kesb aufbringen. «Ich wünsche mir oft, dass das Amtsgeheimnis aufgehoben wäre und man die andere Seite der Medaille zeigen könnte.»