SBB muss 40 Prozent der Belegschaft bis 2035 ersetzen
Die SBB hat mit 40 Prozent eine überdurchschnittlich hohe Quote an Mitarbeitenden über 50 Jahren. Der Generationen-Tausch ist eine riesige Herausforderung.
Das Wichtigste in Kürze
- 40 Prozent der SBB-Angestellten sind über 50 Jahre alt.
- Der Austausch der rund 12'000 Mitarbeitenden bringt Probleme mit sich.
- Die Gewerkschaft SEV warnt vor Risiken bezüglich Gesundheit und Sicherheit.
Die anstehende Pensionierung der geburtenstarken Jahrgänge, der sogenannten Babyboomer, stellt den Arbeitsmarkt vor grosse Herausforderungen. Gemäss einer Studie der Credit Suisse werden in den nächsten zehn Jahren rund 1,1 Millionen Menschen in Rente gehen. Die Zahl derjenigen, die neu in den Arbeitsmarkt eintreten, werde deutlich darunter liegen.
Gesamtwirtschaftlich gesehen wird es nicht möglich sein, alle Babyboomer zu ersetzen. «Mit diesem Phänomen hat die gesamte Schweizer Wirtschaft zu kämpfen, aber die SBB ist durch ihre Altersverteilung überdurchschnittlich betroffen. Gerade weil die gesamte Wirtschaft betroffen ist, wird es für die SBB sehr schwierig werden, genügend Nachwuchs zu rekrutieren.» Dies sagt Manuel Buchmann vom Kompetenzzentrum für Demografie «Demografik».
In Zahlen: Insgesamt sind knapp 12'000 der rund 31'000 Angestellten mindestens 50 Jahre alt. In den nächsten 15 Jahren müssen also 40 Prozent der Belegschaft ausgetauscht werden.
«Im gesamtschweizerischen Durchschnitt ist etwa ein Drittel der Angestellten 50+», ordnet Buchmann ein. Hinzu komme bei der SBB ein überdurchschnittlich tiefer Anteil an unter 30-Jährigen und ein sehr tiefer Frauenanteil.
SBB spricht von anspruchsvoller Lage
Auf Anfrage sagt die SBB, aufgrund des Fachkräftemangels sei es anspruchsvoll, den Personalbedarf mit kompetenten Spezialistinnen und Spezialisten zu decken. Mediensprecherin Sabrina Schellenberg hebt dabei Ingenieurinnen und Handwerker hervor. Auch im IT-Bereich sei die Rekrutierung anspruchsvoll.
Als Massnahme gehe die SBB bei der Rekrutierung nun neue Wege. Seit September würden die meisten Stellen ab einem 60-Prozent-Pensum ausgeschrieben. Letzten Monat habe man zudem in der Deutschschweiz und im Tessin das Duzen im Recruiting eingeführt. «Für einen offenen, menschlichen und persönlichen Kontakt auf Augenhöhe.»
Bei der IT und beim Ingenieurwesen setze die SBB ausserdem unter anderem auf «active sourcing». «Das heisst, wir warten nicht auf Bewerbungen, sondern sprechen mögliche Kandidatinnen und Kandidaten aktiv an, erklärt Schallenberg. In handwerklichen Berufen habe sich das «Speed-Recruiting» bewährt. Dabei kämen Kandidatinnen und Kandidaten für ein kurzes Gespräch vor Ort und «schnuppern».
Experte: Es braucht mehr Automatisierung und Digitalisierung
«Die von der SBB eingeführten Massnahmen sind sicher gut und wichtig», ordnet Demografie-Experte Buchmann ein. «Sie werden aber alleine nicht ausreichen.»
«Massnahmen bei der Rekrutierung sind nur ein kleiner Teil der Massnahmen, die nötig sind, um den Arbeitskräftemangel zu managen. Ebenso wichtig sind Mitarbeitendenbindung sowie attraktive Angebote für Mitarbeitende über 50, über 60 und über 65. Auch das Ausschöpfen der Automatisierungs- und Digitalisierungspotenziale ist wichtig», so Buchmann weiter.
Gewerkschaft sieht Probleme für Gesundheit und Sicherheit
Die Altersstruktur sei auch aus Sicht der Arbeitnehmenden ein grosses Problem, so Patrick Kummer von der Gewerkschaft SEV. «Wenn infolge Fachkräftemangels Kolleginnen und Kollegen nicht direkt ersetzt werden können, führt das zu einer Mehrbelastung bei den übrigen Mitarbeitenden.» Diese könne sich längerfristig auch auf die Gesundheit auswirken.
Ausserdem gehe mit dem Abgang vieler langjähriger SBB-Mitarbeitenden enorm viel Bahn-Knowhow verloren. In sicherheitsrelevanten Berufen – wie etwa bei Arbeiten am Gleis– stelle dies einen Risikofaktor dar.
Der zentrale Faktor seien attraktive Arbeitsbedingungen, betont Kummer. «Es braucht beispielsweise sehr dringend attraktivere Lösungen für Schichtarbeit mit Einsätzen am Wochenende und in der Nacht.» Damit junge Menschen einsteigen, müssten die Löhne in handwerklichen Berufe sowie Berufe mit Schichtarbeit, Nacht- und Wochenendarbeit erhöht werden.