SP sauer wegen AHV 21: «Männer haben über Frauen entschieden»
Die AHV 21 ist angenommen, und damit wird das Frauenrentenalter und Mehrwertsteuer erhöht: Für den Bundesrat eine Erleichterung, aber die Linken sind sauer.
Das Wichtigste in Kürze
- Die AHV-Reform wird angenommen, wenn auch nur hauchdünn.
- Für die Gegnerinnen und Gegner auf der linken Seite ist es eine heftige Niederlage.
- Immerhin konnte das rot-grüne Lager bei der Verrechnungssteuer-Reform gewinnen – knapp.
Das letzte Mal wurde die AHV, das älteste und wichtigste Sozialwerk der Schweiz, in den späten 70er-Jahren revidiert. Nach über vierzig Jahren dürfte die neue Reform AHV 21 eine Volksabstimmung überstehen. Aber nur knapp: Bei der Erhöhung des Frauenrentenalters etwa liegt der Ja-Anteil bei rund 51 Prozent.
Mit dem heutigen Ja erhöht die Schweizer Stimmbevölkerung das Rentenalter der Frauen auf jenes der Männer. Dagegen wollen linke Frauen und Feministen am Montagmittag in Bern protestieren, wie die SP mitteilt. Auch erhöht wird die Mehrwertsteuer, um die AHV-Kassen mit zusätzlichem Geld füllen zu können. Neu wird diese 8,1 Prozent betragen.
Für das linke Lager ist die Niederlage besonders bitter. Die AHV 21 war das grösste Abstimmungsthema. Insbesondere die Gewerkschaften verlieren mit dieser Abstimmung in ihrem Kernanliegen. Die Stimmung war im Berner «Progr», dem Abstimmungshauptquartier der Linken, dementsprechend getrübt.
Rösti- und Geschlechtergraben bei der AHV 21
Tamara Funiciello (SP/BE) hat an vorderster Front gegen die AHV 21 gekämpft. «Es ist uns definitiv gelungen, da vorwärts zu machen», sagt sie im Interview mit Nau.ch. Vor allem die Frauen, die grossmehrheitlich Nein gestimmt hätten, konnten überzeugt werden.
«Hier haben Männer über tiefe Einkommen und Frauen entschieden, dass sie ein Jahr länger arbeiten müssen», erklärt die ehemalige Juso-Chefin. Gleichzeitig sei die gesetzlich vorgeschriebene Gleichsetzung zwischen den Geschlechtern immer noch nicht umgesetzt.
Die Abstimmungsmuster bei der AHV 21 sind grösstenteils klar: Frauen sagten Nein, Männer Ja; die Deutschschweiz sagte Ja, die Romandie und das Tessin Nein. Laut Funiciello sagten auch tiefe Einkommensklassen klar Nein. «Die Bürgerlichen haben eine dreifache Spaltungen in das Land hineingebracht, quer durch die Familien», wettert die SPlerin.
Immerhin bei der Verrechnungssteuer-Reform haben die Linken wohl gewonnen. Auch während des Interviews jubeln die Anwesenden im Progr: «Es ist ein wichtiger Sieg bei der Verrechnungssteuer, das ist klar», freut sich auch Funiciello. Es täte aber «ganz klar weh», bei der AHV zu verlieren.
Nicht Mann und Frau, sondern Jung und Alt
Die von der SP angesprochenen Abstimmungsgräben zwischen Mann und Frau will Mitte-Nationalrätin Marianne Binder (AG) nicht diskutieren: Es sei zwar schon eine Gleichstellungsvorlage, aber zwischen den Altersgruppen, nicht den Geschlechtern. Dass sich Frauen, die die Vorlage abgelehnt hatten, von Männern überstimmt fühlten, verstehe Binder nicht.
«Das ungleiche Rentenalter ist für mich ein patriarchales Relikt aus den 50er- und 60er-Jahren», so die Kommunikationsberaterin. Früher sei die Erwerbsarbeit von Frauen einfach als weniger wertvoll betrachtet gewesen. Binder fordert Frauen auf, aus der Opferrolle hinauszukommen: «Bei der AHV ist es klipp und klar so, dass wir nicht diskriminiert werden.»