Taskforce: Kommt der «Booster für alle» bereits zu spät?
Mit der Booster-Empfehlung für U65 soll noch zugewartet werden. Dabei könnte sie helfen, eine Überlastung der Intensivstationen wie letztes Jahr abzuwenden.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Taksforce warnt vor einer Überlastung der Spitäler, noch höher als vor einem Jahr.
- Sie sieht im Booster ein Mittel gegen zu viele Infektionen.
- Die Impfkommission will erst in einigen Wochen die Auffrischimpfung für U65 empfehlen.
«In wenigen Wochen» werde die Empfehlung für die Booster-Impfung für unter 65-jährige Personen folgen, kündigte Impfkommissions-Präsident Christoph Berger gestern an. Priorität hätten jetzt die Ü65, weil bei ihnen der Schutz schneller abnimmt als bei jüngeren Altersgruppen, sowie natürlich Erstimpfungen.
«Booster für alle» seien erst dann sinnvoll, wenn eine Überlastung des Gesundheitswesens drohe. Angesichts steigender Fallzahlen und Aussichten auf einen strengen Pandemie-Winter: Ist es dafür nicht bereits zu spät? Gemäss der neusten Lagebeurteilung der Taskforce könnte dieser Eindruck entstehen. Diese warnt bereits jetzt vor einem drohenden Kollaps des Gesundheitssystems, bewertet erstmals aber auch den Nutzen der Booster-Impfung.
Taskforce: Booster nützt bei Jung und Alt
Zunächst wiederholt die Taskforce eines ihrer früheren Erkenntnisse: Die mRNA-Impfungen wirken nicht sehr gut gegen die Delta-Variante. Die Auffrischungsimpfung erhöhe gemäss Studien den Schutz vor einer Infektion aber um ein Mehrfaches. Gegenüber Ungeimpften wären Geimpfte dann nicht nur doppelt, sondern gleich 20-fach besser geschützt. Und: Dies gelte in allen Altersgruppen, betont die Taskforce.
Würde geboostert, könne man den Effekt davon schon bald sehen, hätten deutsche Wissenschaftler mittels Simulationen gezeigt. Bei einer Impfgeschwindigkeit von sieben Prozent zeigten sich nach einem Monat Auswirkungen auf die Ausbreitung der Infektionen. Dies erlaube, die Viruszirkulation und damit den Druck auf das Gesundheitssystem zu reduzieren. Denn dieses stehe vor Herausforderungen, die diejenigen vom November letzten Jahres noch übertreffen könnten.
Maximal-Auslastung der Spitäler «nicht auszuschliessen»
Die Taskforce verweist auf Prognosen der EU für Länder mit einer ähnlichen Impfquote wie die Schweiz. Gemäss diesen könnte die «Maximal-Last der Hospitalisierungen bis Ende November 2021 die Maximal-Last des letzten Jahres übersteigen». Gegenüber Nau.ch präzisiert die Taskforce: «Die Schweiz hinkt im Vergleich zu diesen Ländern etwas hinterher – das gibt uns auch etwas mehr Zeit.»
Dieses Szenario, welches das Personal auf den Intensivstationen aber auf keinen Fall noch einmal erleben will. Die Prognose klingt nach einer gleichermassen schlechten wie guten Nachricht. «Die beschriebene Situation kann im Laufe des Winters eintreten, sie ist aber nicht unausweichlich.»
Schutz ist nicht gleich Schutz
Nicht nur Booster-Impfungen, auch Klassiker wie Abstandhalten und Maskentragen und insbesondere auch Erstimpfungen seien Mittel dagegen. Aber: «Da mit Booster der Schutz vor Infektion deutlich steigt, braucht es, im Vergleich zu ohne Booster, weniger Massnahmen.» Dass die Taskforce den dritten Piks anders einordnet als Impf-Chef Christoph Berger ist aber nicht ein grundsätzlicher Widerspruch.
Berger selbst wies bereits auf die verschiedenen Aspekte der Auffrischungsimpfung hin. «Es ist nicht der Schutz vor schweren Erkrankungen, welcher abnimmt bei unter 65-Jährigen, sondern es ist der Schutz vor milden Infektionen.» Je nachdem, was das Ziel sei, ergäben sich darum andere Strategien, schreibt die Taskforce. Will man direkt Hospitalisierungen verhindern, boostert man die Ü65, will man Fallzahlen (und indirekt Hospitalisierungen) bremsen, boostert man alle.
Ist später boostern zu spät?
Die Neuinfektionen würden dann relevant, «wenn die epidemiologische Lage sich so entwickelt, dass es zu einer Belastung der Gesundheitsversorgung kommen könnte.» Das sagte Christoph Berger am gestrigen Dienstag, mit der Aussicht, dann mit dem Booster für alle die Lage verbessern zu können. Die Sache hat nur einen Haken: Die Pandemie ist schnell, das Schweizer Impftempo eher weniger.
Die «Wirkung», die innert einem Monat dank Boostern erzielt werden könnte, bedingt eine Impfgeschwindigkeit ähnlich wie vor den Sommerferien. Das bringen die Kantone offenbar aktuell bei Weitem nicht zustande, weshalb ja eben die EKIF Altersgruppen priorisieren will. Andererseits müsste diese «Wirkung» nicht nur messbar, sondern auch von relevanter Grösse sein.
Hinzu kommt, dass die Hospitalisationen immer einige Wochen hinter den Fallzahlen herhinken. Wer erst reagiert, wenn die Welle kurz vor dem Höhepunkt ist, hilft dem Gesundheitssystem kaum noch. Ob die Schweiz den Booster-Trumpf nun bereits vergeben hat, dazu will sich die Taskforce aber nicht einmischen. «Der Entscheid, wann die Drittimpfung für U65 umgesetzt werden soll, liegt bei der EKIF», hält sie fest.