Teilzeit-Bundesräte sollen die Regierung retten
Mit Ach und Krach fand die Mitte zwei Kandidaten für den Bundesrat – viele sagten ab. Nun steht ein Teilzeit-Amt zur Debatte. Bürgerliche winken ab.

Das Wichtigste in Kürze
- Bei der Mitte hagelte es für das Bundesratsamt Absagen.
- SP-Chef Cédric Wermuth hält eine Diskussion über die Arbeitsbelastung für nötig.
- Für Grünen-Nationalrätin Marionna Schlatter sind Einzelämter veraltet.
Markus Ritter oder Martin Pfister – einen von ihnen wird das Parlament für die Mitte in den Bundesrat wählen. Um einen Platz auf dem Bundesratsticket buhlte sonst niemand. Sämtliche weitere Politikerinnen und Politiker der Partei hatten schon gar keine Lust auf das Amt.
Für den frei werdenden Sitz von Verteidigungsministerin Viola Amherd hagelte es Absagen. Die Work-Life-Balance stand den Favoriten im Weg.
Die Parlamentarier Philipp Kutter, Martin Candinas und Matthias Bregy befürchteten, als Bundesrat zu wenig Zeit für die Familie zu haben. Auch für den Bündner Regierungsrat Marcus Caduff war das Amt deshalb nicht attraktiv.
Bundesrat: «Müssen Diskussion über Belastung führen»
Cédric Wermuth , Co-Präsident der SP, überraschen die vielen Absagen nicht. «Wir müssen die Diskussion über die Arbeitsbelastung des Bundesratsamtes führen», sagt er zu Nau.ch.

Die grosse Arbeitsbelastung sei für viele Politikerinnen und Politiker mit Familie abschreckend, so der Familienvater.
«Das Amt ist mit privater Gleichstellung fast nicht vereinbar.» Für denkbar hält er eine Diskussion über eine Erweiterung des Bundesrates, zum Beispiel auf neun Mitglieder.
Dieses Vorhaben ist bisher gescheitert. SP-Nationalrätin Nadine Masshardt wollte den Bundesrat unter anderem zur Reduktion der Arbeitslast aufstocken. Als sich der Ständerat 2022 dagegen aussprach, war die Vorlage vom Tisch.
«Auch Machtpositionen brauchen Gleichstellung»
Grünen-Nationalrätin Marionna Schlatter würde einen Co-Bundesrat unterstützen. «Ich finde es super, dass Männer diese Debatte anstossen», sagt sie. Frauen hätten das Problem mit der Vereinbarkeit schon lange.
Bundesrätinnen hätten deshalb entweder keine oder bereits erwachsene Kinder, sagt Schlatter.
«Das Bundesratsamt weiterhin als Einzelamt zu sehen, zementiert eine Idealvorstellung, die ich nicht habe», so die Nationalrätin. Dies bedeute, dass der Mann berufstätig sei und die Frau zu Hause zu den Kindern schaue.
Schlatter fordert: «Auch Machtpositionen brauchen Gleichstellung.»
«Zweimal mehr Fehler»
In knapp 28 Prozent der Schweizer Organisationen arbeiten Mitarbeitende im Job- oder Topsharing (Jobsharing auf Kaderstufe). Dies zeigt eine Studie der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW). Einige Organisationen verzeichneten bei diesem Modell eine leichte oder sogar starke Zunahme.
Damit kann Unternehmer und SVP-Nationalrat Thomas Matter nichts anfangen. «Co-Bundesräte – das ist typisch Zeitgeist», wettert er. Sieben Bundesräte reichten.
«Zwei Bundesräte pro Amt machen auch zweimal mehr Fehler», behauptet Matter.
Matter betont, dass in wichtigen Positionen eine Person am Schluss die Verantwortung übernehmen müsse. «Entweder will man das oder man will es nicht.»
«Karren fällt in sich zusammen», wenn einer zurücktritt
Auch für Mitte-Nationalrat Martin Candinas kommt ein Co-Bundesrat nicht infrage. «Das wäre undenkbar!», platzt es aus ihm heraus.
«Das heutige System hat sich bewährt. Für dieses Amt muss man Feuer und Flamme sein und diesem alles unterordnen.»
Ansonsten droht laut Candinas ein Chaos. Bei einem Co-Amt wisse man dann nicht mehr, wer für welches Geschäft zuständig sei. «Der Koordinationsaufwand wäre gewaltig und tritt einer der beiden Bundesräte zurück, fällt der Karren in sich zusammen.»
Die Bundesverfassung und das Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz halten fest, dass der Bundesrat aus sieben Mitgliedern besteht.
Eine rechtliche Grundlage für ein Bundesrats-Co-Amt müsste der Souverän und der Gesetzgeber schaffen.