Transparente Wahlkampfbudgets: Eine undurchsichtige Sache?
FDPler Andri Silberschmidt hat ein Wahlkampfbudget von 280'000 Franken. Jetzt wissen wir es also. Ist das gut?
Das Wichtigste in Kürze
- Die ersten Wahlkampfbudgets sind offengelegt.
- Andri Silberschmidt (FDP/ZH) überrascht mit 280'000 Franken.
- Nicht nur die Zahl allein sollte ein Denkanstoss sein. Ein Kommentar.
Im Rahmen der Wahlen 2023 müssen Kandidierende und Parteien erstmals Transparenz schaffen bei ihren Finanzen: Wer ein Wahlkampfbudget von über 50’0000 Franken hat, muss es offenlegen. Und so erleben wir Überraschungen, mit denen nicht einmal der Überraschende selbst gerechnet hat: FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt weist gleich 280'000 Franken aus.
Tja, das kommt davon, wenn man als smarter Brillenträger in einer WG haust: Tausend Leute spendieren einem 200, 300 oder 400 Franken. Kann man nichts machen. Üblicherweise bewegen sich Wahlkampfbudgets, dem Hörensagen nach, eher so bei 60'000 Franken.
So wie dasjenige von Mitte-Mann Nicolo Paganini, der 64'000 Franken offenlegt. Der ist zwar auch ein bebrillter Gescheiter, aber der wohnt ganz bestimmt nicht in einer WG. Silberschmidts «Rechtfertigungsversuch»: Es ist einfach unvergleichlich! Wie Äpfel mit Birnen, denn er müsse schliesslich anderthalb Millionen Zürcherinnen und Zürcher überzeugen, nicht nur 500'000, wie St. Galler Paganini.
280'000 Fragen
Das ist nur bedingt richtig, aber das ist nicht einmal weiter schlimm, denn die Wahlkampfbudgets werfen ganz andere, relevantere Fragen auf. Klar, es sind natürlich nicht Äpfel und Birnen, denn die Äpfel kommen aus dem Thurgau und die Birnen oft auch, noch öfter aber aus dem Wallis, nur kommen dort auch die Aprikosen her und dann haben wir den Fruchtsalat.
Zürich im Herbst pic.twitter.com/NeIokWlNAX
— Flavien Gousset (@FlavienGousset) July 20, 2023
Auch muss Herr Silberschmidt nicht 1'500'000 Menschen überzeugen, denn die Nicht-Schweizer und die U18 fallen schon mal weg. Von den verbleibenden reichen drei Prozent, um ein Nationalratsmandat zu gewinnen. Das sind weniger als 30'000. Und ziemlich genau gleich viele, wie Nicolo Paganini überzeugen muss – schliesslich ist die Anzahl Nationalratssitze pro Kanton proportional zur Bevölkerung.
Fragen sie Ihren Aktivisten
Aber halt: Dann ist es ja viel schwieriger, die «richtigen» 30'000 im Millionenzürich zu erreichen? Jein, denn wie Ihnen jeder Greenpeace-Aktivist vorrechnen kann, braucht man dazu nur ein Transpi an die Rosengartenbrücke zu hängen. In weniger als einem Tag fahren dort mehr Fahrzeuge vorbei.
Zwar könnte Herr Paganini sein Transpi in der Rosenstadt Rapperswil auf den Seedamm hängen. Dort fahren immerhin rund halb so viele Autos drüber. Der Streuverlust ist aber enorm: Nicht wegen der Ausländer oder der U18-Automobilisten, sondern, viel schlimmer: Es hat Schwyzer darunter und sogar Zürcher.
Das ist alles gar nicht wichtig
Doch darum geht es ja nicht, sondern darum, zu wissen, wer mit wie viel Geld um sich schmeisst und welche Grossspender wem gespendet haben. Jetzt gibt es Transparenz bei den Wahlkampfbudgets, ausser, dass davon jetzt doch nicht viel zu sehen ist, so transparent ist die Transparenz eben. Keine Transparenz wäre sicher schlecht, aber zieht man die Repressions-Schrauben an, verschwinden viele Spendensüchtige wieder in der Illegalität.
Ah nein, das war der Drogenmarkt, kurze Verwechslung. Jedenfalls: Weil bei Kleinspenden die Namen nicht offengelegt werden müssen, weiss man grösstenteils doch nicht, welche Lobby einen bestimmten Kandidaten pusht. Weil Kandidaten einen Anteil ihres Budgets an die Partei abliefern, wird weiter verschleiert.
«Die Mitte» tritt im Kanton St. Gallen mit sage und schreibe 82 Kandidaten zu den nationalen Wahlen an. Chancen haben vielleicht zwei. Aber mit je 500 Franken unterstützen könnte «man» sie ja trotzdem, sofern das Geld dann schön an die Partei weitergeleitet wird. Und dann noch einmal das gleiche Spiel, zum Beispiel, aus der Verbandskasse. Könnte man.
In den USA wird solches bereits ad absurdum betrieben: Trotz höchster Transparenz-Regeln finanzieren jetzt einfach unabhängige und nur mässig transparente Organisationen die Wahlwerbung. Angeblich ohne sich mit den Kandidaten abzusprechen, ganz ehrlich, man hält sich selbstverständlich an die Regeln.
Was also würde denn sinnvollerweise helfen, die Demokratie etwas weg von den Verlockungen des Geldes zu manövrieren? Wahrscheinlich ist es halt doch wie bei der Drogenpolitik: Es braucht eine Vier-Säulen-Strategie. Ja, inklusive Prävention und Früherkennung, Schadensminderung und Vollzug. Erste Schritte sind ja schon gemacht: Immer mehr Spender und Spende-Empfänger stehen dazu, und bald erkennt jeder im Kanton Zürich Andri Silberschmidt.