Transparenz im Parlament: Wer hat diese Rede erfunden?
Die Debatte im Nationalrat zur Deklarierung von Zucker auf Lebensmittelverpackungen zeigt: (Lobby-)Transparenz kommt allen zugute.
Das Wichtigste in Kürze
- Nicht immer formulieren Redner im Parlament ihre Reden selber.
- Prominentes Beispiel: Hans-Rudolf Merz und sein "Bü-Bü-Bündnerfleisch".
- Ein aktuelles Beispiel zeigt: Mehr Offenheit über die Urheberschaft dient allen Seiten.
«Parlament» kommt von parlieren, weshalb auch im Nationalrat immer sehr viel geredet wird. Manchmal hört sogar auch jemand zu. Dabei fällt auf: Die beste Rede nützt nichts, wenn man nicht jemandem die Schuld geben kann, wenn man sie verhaut. Denn nicht alle Voten am Rednerpult werden auch von den Vortragenden selbst verfasst.
Bü-Bü-Bürgernähe
Das Paradebeispiel dazu stammt natürlich vom damaligen Finanzminister Hans-Rudolf Merz. Der Ärmste musste eine Antwort der Bundesverwaltung vortragen und verhedderte sich in Beamtendeutsch und Fachbegriffen. Derart, dass er sogar für den eigentlich geläufigen Ausdruck «Bündnerfleisch» schliesslich drei Anläufe brauchte.
Sein Vorteil: Merz konnte sich herausreden und durfte gar auf Verständnis hoffen bei den geneigten Stimmbürgern. Wie er selbst eingestand: «Ich bitte Sie um Verzeihung, wenn ich bisweilen einfach nicht verstanden habe, was ich Ihnen vorgelesen habe.» Ein Vorteil, auf den wohl auch Parlamentarier gerne zurückgreifen würden. Nämlich dann, wenn ihr Redetext von einer Lobby-Organisation verfasst wurde.
Transparenz als Win-Win
So gesehen müssten die gewählten Volksvertreter die Forderung verschiedener Organisationen und aus dem Kollegenkreis nach mehr Transparenz eigentlich begrüssen. Wäre es nicht viel angenehmer, wenn man einleitend sagen könnte: «Ich lese Ihnen jetzt die Argumente vor, so, wie sie mir der Branchenverband vorgeschrieben hat.» Wenn dann das «Risikoprofil betreffend die Veranlagung von gewürztem Fleisch» keinen Szenenapplaus auslöst, hat man den Schwarzen Peter bereits anderen zugeschoben.
Solches muss sich doch SVP-Nationalrat Alois Huber diesen Montag auch gewünscht haben. Der Bio-Bauer kann zwar exzellent referieren zu Waldgrenze, Wolf, Wild uns seinen Schafen. Oder provokante Fragen stellen zum Ausbringen von Gülle auf Flächen mit Q1-Bäumen mit und ohne Schleppschlauchobligatorium. Aber die Ausführungen zum Zuckergehalt in Lebensmitteln haben ihm wohl die Zucker-Lobby diktiert.
So muss sich Huber durch ein weiteres Obligatorium (das «front-of-pack nutrition labelling») und die gegenderten «Konsumierenden» quälen. Wohlgemerkt ohne dass er am Schluss sagen kann, er habe das soeben rezitierte einfach nicht verstanden.
Denn als Präsident des aargauischen Bauernverbands ist er zwar für alle Bauernden zuständig. Als Kartoffel-, Obst- und Schweinebauer hat er aber von Zuckerrüben so viel Ahnung wie Ex-Unternehmensberater Merz von völkerrechtlichen Verpflichtungen bei Zolltarifen. Kein Wunder, werden in der Hitze der gezuckerten Süssgetränke aus «Handelshemmnissen» dann «Hemdenhalsnischen». Mit Merz’scher Offenheit würden solcherlei verzeihliche Versprecher dagegen an der Zucker-Lobby kleben bleiben.