Ukraine-Krieg: «Schweiz hat Neutralität damit nicht aufgegeben»
Im Ukraine-Krieg hat der Bundesrat die EU-Sanktionen gegen Russland übernommen. Ein Experte sieht die Neutralität der Schweiz dadurch nicht gefährdet.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Schweizer Bundesrat übernimmt die EU-Sanktionen gegen Russland.
- Für einen Experten der Uni Zürich ist die Neutralität der Schweiz damit nicht gefährdet.
- Auch eine Vermittlerrolle sei nach wie vor möglich, sagt Professor Oliver Diggelmann.
Der Bundesrat bekennt im Ukraine-Krieg Farbe und hat sich entschieden: Die Schweiz schliesst sich den EU-Sanktionen gegen Russland an. Vom Finanzmarkt, über den Luftraum bis hin zu Einreiseverboten. «Sanktionen gegen Russland sind zwingend», sagte Bundespräsident Ignazio Cassis an der gestrigen Medienkonferenz.
Warum der Bundesrat sich mit den Sanktionen lange Zeit gelassen hat, erklärte Cassis wie folgt: «Weil es um einen einmaligen Schritt der Schweiz ging. Um einen Schritt, den wir uns auch unter dem Aspekt der Neutralität nicht leicht machen dürfen.» Die Neutralität werde mit den Sanktionen nicht verletzt, versicherte der Bundesrat.
Oliver Diggelmann, Professor an der Uni Zürich, stimmt der Landesregierung in diesem Punkt bei. «Die Schweiz hat tatsächlich ein gewisses Neuland betreten. Man muss aber sagen, dass damit die Neutralität nicht aufgegeben wurde», sagte Diggelmann im «10vor10».
Der Experte für Völkerrecht wies darauf hin, dass auch die traditionell neutralen EU-Staaten trotz der Massnahmen ihren Status behalten würden. Er nennt als Beispiel unter anderem Schweden und Österreich und weist darauf hin: «Die Situation ist absolut aussergewöhnlich.»
Kann die Schweiz im Ukraine-Krieg vermitteln?
Bei der Annexion der Krim 2014 hielt sich der Bundesrat mit Sanktionen noch zurück – was ist nun anders? «Damals hatte man wohl noch Hoffnungen, es würde sich irgendwie begrenzen lassen. Was jetzt aber letzte Woche geschehen ist, hat wirklich alle überrascht.» Es sei ein Angriff auf die internationale Ordnung, dem man versucht nun entschlossen entgegenzutreten, so der Experte.
Diggelmann glaubt, dass eine Vermittlerrolle der Schweiz im Ukraine-Krieg nach wie vor möglich ist. «Natürlich erwartet niemand, dass man sich in Russland über die Massnahmen freut. Doch Russland weiss auch, in welcher Situation sich die Schweiz befindet und unter welchen Druck sie gekommen ist.»