Ukraine-Krieg: Armee-Chef Süssli bewertet Putins Truppen
Die russische Armee galt als zweitbeste der Welt. Im Ukraine-Krieg gerät sie aber immer wieder ins Stocken. Alles nur Mythos? Nein, sagt Thomas Süssli.
Das Wichtigste in Kürze
- Nach einem Jahr kämpft die russische Armee noch immer um den ukrainischen Donbass.
- In einem Interview schätzt Armee-Chef Süssli die Qualität der russischen Armee ein.
- Er zeigt auf, weshalb die Operation von Putin nicht nach Plan verläuft.
Der Ukraine-Krieg wütet seit fast einem Jahr. Was anfänglich als Blitzkrieg gedacht war, entwickelte sich zu einem Kampf, mit hohen Verlusten auf beiden Seiten.
Anstatt einen «High-Tech-Krieg» führt Russland einen sogenannten Abnützungskrieg. Auch Armeechef Thomas Süssli ist überrascht: «Man hatte andere Bilder im Kopf von russischen Streitkräften.» Doch Präsident Putin habe die Wehrbereitschaft der ukrainischen Streitkräfte offenbar falsch eingeschätzt, sagt er gegenüber der «Aargauer Zeitung».
Süssli erklärt anhand eines Beispiels: «In einer ersten Phase ging Wladimir Putin wohl davon aus, dass er die Regierung stürzen und das Land besetzen kann». Die Streitkräfte seien aber nicht vorbereitet gewesen auf diese Operation. «In einer zweiten Phase setzte Russland vor allem mechanisierte Kräfte ein, was an den Zweiten Weltkrieg erinnert.»
Russische Truppen vor Ukraine-Krieg nicht in moderne Kriegsgeräte eingeführt
Die dritte Phase erinnere in mancher Hinsicht an den Ersten Weltkrieg. «Die Russen setzen sehr viel Artillerie ein, bereiten den Kampfraum vor – und dann rückt Infanterie nach.»
Süssli hebt hervor: Es sei interessant, dass es die Ukrainer bisher schaffen, die russische Luftwaffe weitgehend von ihrem Gebiet fernzuhalten. Sie «beherrschen» ihn zwar nicht. «Aber es gelang ihr, die russische Luftwaffe davon abzuhalten, sich frei im ukrainischen Luftraum zu bewegen.»
Russland wolle die ukrainische Luftabwehr mit wellenartigen Luftangriffen mit Drohnen und Raketen abnützen. Damit es nicht so weit kommen kann, braucht die Ukraine gemäss Süssli viel mehr Luftabwehr.
Dass es einen Mythos um die Qualität der russischen Armee gab, glaubt er nicht. «Russland zeigte an Wehrdemonstrationen viel modernes Kriegsgerät.» Inzwischen habe sich herausgestellt, dass das meiste bei den Truppen gar nicht eingeführt ist. Es habe sich jedoch bewahrheitet, dass Russland «über grosse Mengen an Material und Personal» verfügt.
Lob gibt es von Süssli für die ukrainische Armee und deren «Breite von Systemen, die sie im Einsatz haben. Jedes System erfordert Ausbildung und eine Einsatzdoktrin.» Dazu brauche es Logistik für Munitionsnachschub und Ersatzteile.
«In der Schweiz bilden wir Panzerbesatzungen in 18 Wochen Rekrutenschule aus.» Die Ukrainer seien deutlich schneller. «Das ist beachtlich.»