War der Frauenstreik 2022 ein Flop?
Am Frauenstreik 2022 haben am Dienstag schätzungsweise 50'000 Personen schweizweit demonstriert. Das ist viel – aber bei weitem nicht so viel wie auch schon.
Das Wichtigste in Kürze
- Der jährliche Frauenstreik hat diese Woche mit rund 50'000 Teilnehmenden stattgefunden.
- Diese Zahl nimmt seit 2019, dem ersten Streik, stetig ab.
- Die Bewegung bleibe aber stark und präsent, hält das Berner Kollektiv fest.
In Bern sprechen sie von 10'000 bis 15'000 Teilnehmenden, in Zürich von «Zehntausenden», in Basel von etwa 2000: Der Frauenstreik 2022 fand gestern Dienstag das vierte Mal in Folge statt.
2019 noch gingen eine halbe Million Personen auf die Strasse, um gegen Ungleichheit zu protestieren. Ein Jahr später musste der Streik Corona-bedingt viel kleiner ausfallen; dafür konnte letztes Jahr die Kundgebung wieder mehr Teilnehmende anziehen. Dieses Jahr aber scheinen die Frauen weniger streikbereit gewesen zu sein.
Beispielsweise berichtet CH Media von der Auflösung des kantonalen Frauenstreik-Vereins. Die Mitgliedersuche habe sich als schwierig gestaltet, so ein Vorstandsmitglied. Schlussendlich seien auch für den diesjährigen Frauenstreik zu wenig Ressourcen verfügbar gewesen, weswegen man auf Aktionen im Aargau verzichtet habe. Nur die SP-Frauen haben gestern ein Streik-Picknick organisiert.
Frauenstreik: «Schätzung war eher vorsichtig»
Von einem Abflauen der Bewegung will das Berner Kollektiv aber nichts wissen. Sprecherin Itziar Marañón sagt auf Anfrage, die Organisatorinnen seien sehr zufrieden mit der Veranstaltung vom Montag. «Die Schätzung der Anzahl Teilnehmenden ist eher vorsichtig, ich war auf der Bühne auf dem Bundesplatz und aus meiner Sicht war es voll.»
Nach zwei Jahren Pandemie sei zudem viel Müdigkeit zu verspüren, so Marañón. «Wir leisten diese Arbeit freiwillig und sind alle nebenbei noch erwerbstätig oder leisten Care-Arbeit.» Die Kollektive hätten sich alle erst vor einem Monat getroffen und mit der Mobilisierungsarbeit begonnen.
«Aber die Bewegung ist nach wie vor fit: Es kommen immer wieder neue Leute in das Kollektiv, wir wachsen, wir bleiben engagiert», hält Itziar Marañón fest. Dass am 14. Juni der feministische Streiktag anstehe, wüssten viele Schweizerinnen und Schweizer. Das erleichtere auch die Mobilisierung, «sie müssen nur wissen, ob etwas Konkretes stattfindet».
Allgemein messe das Kollektiv den Erfolg nicht an der Anzahl Teilnehmenden: «Gestern war die Stimmung, die Energie, die Präsenz wahnsinnig stark und schön. Das zählt auch, diese Sichtbarkeit.»
2023 soll der Streiktag wieder «sehr gross» sein, sagt Marañón weiter. Auch die Gewerkschaften wollen neu mobilisieren. Die Arbeiten sollen schon einige Monate im Voraus beginnen. «Wir sind am Ende mit unserer Geduld», steht am Ende der gestern verschickten Medienmitteilung.